Wie viel Inklusion kann man seinen Mitmenschen zumuten? Starkes, ehrliches Stück über exklusive Hochkultur:


  • Hallo Trixi,


    du meinst sicher diese Aussage von mir:


    Zitat von "Dario"

    Bezeichnenderweise sind die Sonderschulen heute fast abgeschafft, Kinderheime dagegen nicht, obwohl ich Kinderheime viel schlimmer und traumatischer fand als Sonderschulen.


    Auch wenn dieser Satz scharf formuliert ist, wollte ich ihn nicht so verstanden wissen, dass man alle Heime abschaffen soll, denn natürlich weiß ich, dass Kinderheime für Kinder, die Hause z.B. misshandelt oder vernachlässigt werden, auch ein wichtiger Schutzraum sein können. Wir ging es eher darum zu sagen, dass behinderte Kinder nicht zwangsläufig unter Sonderschulen leiden müssen, sondern auch ganz andere Problem in ihrem Leben haben können, die mit der Sonderschule überhaupt nichts zu tun haben.


    Überspitzt gesagt kommt es mir manchmal so vor, als wenn einige Inklusionsaktivisten (vor allem im Internet) die Sonderschulen als eine Art Feinbild oder Hassobjekt für sich auserkoren haben - und so tun, als hätten wir die perfekte Inklusion und alle wären nur noch superglücklich, wenn erst mal die "bösen" Sonderschulen weg sind!


    Das ist von mir jetzt sehr überspitzt wiedergegeben (das ist mir bewusst), aber ich sehe diese Tendenz, dass gegen Sonderschulen heutzutage gezielt Stimmung gemacht wird auf eine Art, die ich nicht immer nachvollziehen kann. Deshalb meine etwas polemische und eher rhetorisch gemeinte Schlussfolgerung: Wenn man schon pauschal alle Sonderschulen abschaffen will (weil es dort noch viele Missstände gibt) warum dann nicht auch pauschal alle Kinderheime? Schließlich gibt es in Kinderheimen (das weiß ich aus eigener Erfahrung) mindestens ebenso viele Missstände.


    Ich wollte mit diesem Vergleich sagen, dass ich die Forderung nach Abschaffung aller Sonderschulen für absurd halte, denn dann könnte und müsste man (jedenfalls nach meiner Logik) auch pauschal alle Kinderheime abschaffen, wo ja mindestens ebenso viel im Argen liegt. Versteht du, was ich meine?


    Letztendlich wünsche ich mir eine differenzierte Betrachtung sowohl von Kinderheimen als auch von Sonderschulen: Genauso wie es viel zu kurz gegriffen wäre, als Kinderheime pauschal zu verteufeln (das sehe ich wie du) wäre es grundfalsch, alle Sonderschulen pauschal abzuschaffen und zu Hassobjekten zu erklären. Vielleicht ist es jetzt ein wenig deutlicher geworden, worauf ich hinaus wollte.

  • Danke Dario, dass du das nochmal erklärt hast.
    Ich habe es tatsächlich in dem einen Beitrag etwas Missverstanden. Wahrscheinlich auch deswegen, weil ich persönlich es für eine Katastrophe halten würde, wenn sämtliche Kinderheime etc. abgeschafft werden würde.


    Was das Thema Sonderschule angeht kann ich nicht so gut mit reden. Ich selber habe nicht wirklich Erfahrung mit Sonderschulen. Ich kannte nur ein paar Schülerinnen die auf Sonderschulen gingen und ehrlich gesagt waren mir diese Personen mehr als unsympathisch. Aber das liegt ja nicht zwangsläufig daran, das sie auf eine Sonderschule gingen, sondern an den Personen selber.

  • [quote]


    Das schöne: über diese Regeln kann man reden, man kann sie gemeinsam verändern, man kann ihre Veränderbarkeit bewusst machen, sie wandeln sich mit der Zeit sowieso - sind nicht in Stein gemeißelt. Wie einer der Spiegelkommentatoren schrieb, dass Klassik-Genuss heutzutage heißt, dass man nur passiv lauscht, wie "Ohren ohne Körper", das war nicht immer so. Und das muss auch nicht so bleiben :)



    Hier wollte ich doch nach mal kurz zu schreiben, das es in der Tat beruhigend ist, das Regeln sich ändern.
    Ich denke wir sind alle froh, das heute keiner mehr behauptet die Erde wäre eine Scheibe, Sklaverei wäre erlaubt und die einzige Aufgabe von Frauen wäre es Kinder zu kriegen , jetzt mal über klassische Musik hinausgehend :) ......


    @Dario und Trixi ,
    nur kurz, weil ich mir nicht sicher bin, ob das überhaupt in den Thread hier hin gehört.
    Man kann drüber nachdenken, inwieweit Sonderschulen und Heime als Ultima Ratio in Zukunft eine Bedeutung haben können.
    Erst mal müsste aber damit angefangen werden, Kinder in ihrem natürlichen Lebensumfeld die Unterstützung zu bieten, die sie brauchen, und nicht, so wie es oft jetzt noch läuft, erst gar keine Unterstützung zu bieten, bzw. sogar zu entziehen, um bequemer Weise nach wie vor die Sonderschulen und Heime zu bedienen.
    Bei autistischen Kindern ist z.b. nachgewiesener Weise oftmals Förderschule oder Heimeinweisung erst dann notwendig, wenn Schulbegleiter nicht bewilligt werden oder andere Hilfen nicht bewilligt werden.
    Das kann man gut in dem Bericht aus Bayern nachlesen, der bezüglich der Misshandlungen in den Heimen gemacht wurde.
    Ich würde aber vorschlagen, das wir das Thema in dem anderen Thread weiter bearbeiten können.

  • Dagmar, du hast sicherlich recht was das Thema behinderte Kinder und fehlende Unterstützung angeht.
    Aber Heime sind ja nicht nur für behinderte Kinder, sondern für viele andere Probleme auch zuständig. Deswegen kann man das so eigentlich gar nicht vergleichen.

  • @Trixi ,


    Du meinst jetzt, wenn Eltern nicht für die Kinder sorgen können oder wollen?
    Da gibt es dann ja auch ganz viele unterstützende Hilfen, um Familien zu stabilisieren.
    Ich suche mal was raus, was in die Richtung geht. Aber auch hier ist Heim nicht die erste Alternative. Es gibt ja Familienhelfer, ambulante Angebote , Erziehungsstellen ,Pflegfamilien und kleine Wohngruppen. Heime sollten meiner Ansicht in jedem Fall ausgeschlichen werden und durch modernere Formen der Hilfen ersetzt werden, wird ja auch oft schon so gehandhabt. ( Ist dann aber auch oft eine Kosten oder Lobby Frage )

  • Mein Mann und ich waren heute in einem Cafe frühstücken. Dieses Cafe hatte eine Kinderecke mit Spielzeug.
    Vor der Kinderecke stand ein reservierter Tisch mit vier Stühlen und als die Gäste kamen, die diesen Tisch reserviert hatten, haben sie über den Platz gemeckert. Sie fanden es nicht gut, dass sie in der Nähe der Kinderecke sitzen sollten, dabei spielten dort nur zwei völlig friedliche Kinder.
    Sie bestanden auf einen anderen Platz, den sie dann auch bekamen.


    Nach dem Frühstück waren wir noch spazieren. Wir kamen an einem Reisebüro vorbei, welches im Schaufenster Werbung für ein Hotel machte, in dem man erst ab 16 Jahren Urlaub machen darf. Solche Hotels werden ja immer beliebter.


    Müssen wir demnächst auch für die Inklusion von Kindern und Teenagern kämpfen?
    Wer keine Kinder um sich herum haben möchte, wird vermutlich auch keine auffälligeren behinderten Menschen in seiner Nähe haben wollen.


    Die Menschen wollen alles perfekt haben. Die Leute haben den Anspruch ein perfektes, störungsfreies und geradliniges Leben zu führen.
    Kinder und behinderte Menschen kommen in dieser perfekten Welt nicht vor.

  • Dagmar, ich weiß das es auch in dem Bereich viele andere Hilfen gibt.
    Aber Heim ist ja nicht gleich Heim und ich denke, das sollte man nicht pauschal "verurteilen". Also nicht das ich dir jetzt unterstellen möchte, das du irgendwas verurteilst.


    Und Ella, ja ich befürchte auch dazu wird es zukünftig kommen.
    Grundsätzlich finde ich es aber okay wenn es eben auch spezielle Angebote für spezielle Gruppen gibt. Das wird es sicherlich immer geben. Nicht jedes Kind kann z.B. auf irgendein Elite-Internat gehen usw.
    Und manche "Einschränkungen" machen durchaus auch Sinn.


    Hmm... Aber ich merke, es ist grundsätzlich ein sehr, sehr schwieriges Thema.
    Und ja, es wird schwer behinderte Menschen zu inkludieren, wenn schon Kinder / Teenies so ausgegrenzt werden!

  • Mein Mann und ich waren heute in einem Cafe frühstücken. Dieses Cafe hatte eine Kinderecke mit Spielzeug.
    Vor der Kinderecke stand ein reservierter Tisch mit vier Stühlen und als die Gäste kamen, die diesen Tisch reserviert hatten, haben sie über den Platz gemeckert. Sie fanden es nicht gut, dass sie in der Nähe der Kinderecke sitzen sollten, dabei spielten dort nur zwei völlig friedliche Kinder.
    Sie bestanden auf einen anderen Platz, den sie dann auch bekamen.


    Nach dem Frühstück waren wir noch spazieren. Wir kamen an einem Reisebüro vorbei, welches im Schaufenster Werbung für ein Hotel machte, in dem man erst ab 16 Jahren Urlaub machen darf. Solche Hotels werden ja immer beliebter.


    Ich finde so etwas auch schlimm. Ständig wird über die Überalterung der Gesellschaft geklagt, dass die Renten und Pflegekosten bald nicht mehr bezahlbar sind, dass die Alterspyramide umkippt usw. Und auf der anderen Seiten sind Kinder (und in der Konsequenz auch Familien) immer weniger erwünscht.


    Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen, die Gesellschaft ist oft so unglaublich scheinheilig und verlogen. X(

  • Was mir jetzt im Nachhinein noch aufgefallen ist: Die Leute, die nicht in der Nähe der Kinderspielecke sitzen wollten, bekamen dann einen Tisch im hinteren Bereich, der durch eine sehr große Gästegruppe voll ausgelastet und dementsprechend geräuschvoll war. In unserem Bereich mit der Kinderecke war es deutlich ruhiger.
    Kindergeräusche werden nicht geduldet, aber der Lärm erwachsener Menschen wird hingenommen und nicht als so störend empfunden.
    Da frage ich mich, was ist das? Warum stuft man den einen Lärm als tolerierbar ein, obwohl er sogar noch lauter ist, während man den anderen Lärm - in dem Fall ruhige Kindergeräusche - als störend empfindet?


    Wird vielleicht das unberechenbare Verhalten von Kindern und von einigen behinderten Menschen als Bedrohung und eher als Störung empfunden und eingeordnet?

  • BSVH (Blinden-und Sehbehindertenverein Hamburg e.V.)


    Begehung der Elbphilharmonie offenbart Mängel bei Barrierefreiheit


    ..."Dabei offenbarten sich aus Sicht von Angelika Antefuhr (1. Vorsitzende) und Karsten Warnke (Vorstandsmitglied), zahlreiche – teilweise gravierende - Mängel".....


    Mitteilung an Kultursenator
    Diese und weitere Probleme werden die Verantwortlichen des BSVH in den nächsten Tagen an den Kultursenator Dr. Carsten Brosda herantragen. „Die 3.000 blinden und ca. 40.000 sehbehinderten Hamburgerinnen und Hamburger und Touristen mit einer Seheinschränkung haben keine Möglichkeit, sich ohne fremde Hilfe in der Elbphilharmonie zurechtzufinden“, stellt Angelika Antefuhr fest.
    „Dies können wir nicht akzeptieren, zumal wir bereits 2007 auf viele der heute beanstandeten Punkte hingewiesen haben.“ :icon_confused


    http://www.bsvh.org/news/items…bei-barrierefreiheit.html



    Viele Grüße
    Monika                                                                                                  

    Einmal editiert, zuletzt von Monika ()

  • Ich kann es einfach nicht begreifen, warum man bei Neubauten nicht von vornherein Barrierefreiheit einplant. Was geht bloß in den Köpfen der Verantwortlichen vor? WARUM bezieht man betroffene Menschen nicht mit ein? Es ist so ärgerlich, weil nachträgliche Ein- und Umbauten sicher noch teurer werden, als wenn man gleich barrierefrei gebaut hätte.

  • jetzt mal ehrlich und am Rande.... ich glaube ich würde lachend von Stuhl kippen, wenn das erledigt ist und anschließend eine Begehung durch Hörgeschädigte stattfindet und nachträglich noch Induktionsschleifen verlegt werden.


    Ich habe noch nicht nachgefragt.... das ist mir noch zu überlaufen....
    das ist schon ein übler Scherz + Willi....


    Wann BEGREIFEN die Menschen endlich, dass Barrieren nicht nur durch Rampen und Fahrstühle aufgehoben werden ??????????????????


    J
    onna
    ~~~~~~~~~~
    mit Jesper und Felix *2006 (Down Syndrom PLUS, gehörlos und weitere Baustellchen...)




    Einmal editiert, zuletzt von Jonna ()

  • Warum nur kocht jede Gruppe von Behinderung ihr eigenes Süppchen?
    *kopfschüttel* Anstatt das man sich da einfach mal zusammen tut und gemeinsam ALLE Fehler aufzeigt.
    Ich frage mich gerade auch, was die Rollstuhlfahrer eigentlich mit den ganzen Treppen anfangen. *grübel*


    Tja Jonna und dann kommen wir zu dem Punkt den du auch bereits angesprochen hast. Die Barrierefreiheit die man einfach nicht bauen kann.
    Irgendwie.... Ja, ich glaube ich sollte auch nur drüber lachen, weil das einfach nur lächerlich ist, was da gemacht wird.
    Aber es nervt und ärgert mich mal wieder extrem (obwohl ich nicht direkt oder indirekt betroffen bin) das mal wieder ein großer Teil von Menschen mit Behinderung einfach ignoriert und ausgeblendet wird.

  • Warum nur kocht jede Gruppe von Behinderung ihr eigenes Süppchen?
    *kopfschüttel* Anstatt das man sich da einfach mal zusammen tut und gemeinsam ALLE Fehler aufzeigt.


    Solche Bestrebungen gibt es ja, aber in der Praxis ist das nicht so einfach. Selbst die Gruppe der Autisten (nur die die kann ich sprechen) ist untereinander in so viele "Fraktionen" zersplittert, die sich volkommen uneins und zum Teil richtig zerstritten sind, wie denn die richtige Art von Öffentlichkeitsarbeit aussehen soll.


    Wenn sich nicht einmal unter einzelnen Gruppen ein Konsens finden lässt, wie soll dass dann erst behinderungsübergreifend funktionieren? ;(


    Kann aber sein, dass dass ein Problem speziell von Autisten ist, das in der Vielfältigkeit des Spektrums begründet liegt. Fast allen Menschen mit Behinderungen ist gemein, dass sie sich mehr Akzeptanz, mehr Verständnis und Entgegenkommen von der Geselllschaft wünschen. Da sehe ich Chancen für einen Konsens und eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit, aber wenn es ins Detail geht, wird es wahrscheinlich schnell wieder vorbei sein mit der Einigkeit.

  • zumindest alle Technischen Möglichkeiten, die unterschiedliche Barrieren Abbauen sollte man aber in der Lage sein gemeinsam zu bedenken.
    Zusätzlich gibt es ja auch Barrierenabbau, der unterschiedlichen Gruppen nützt, so helfen ausreichend Fahrstühle und das Zwei Sinne Prinzip nebenher ja auch Senioren,Familien, Kindern oder Analphabeten...