Bekommt ihr Unterstützung von eurer Verwandtschaft?

  • klare Antwort: nein. "Mama, Justus hat die Diagnose Autismus bekommen." - "Hmm. Ruf mich später wieder an, da klingelt grad die andere Leitung." --
    "Du, Mama, mir wird das alles zu viel. Diese ganzen Kämpfe, diese Ausgrenzung, dieser Behördenkram." --"Stell dich nicht so an. Andere haben mehr Kinder und kommen auch klar." --
    "Mama, das kann doch nicht sein, die wollen Justus in die Sonderschule abschieben." -- "Ich habe mit dem pensionierten Gymnasialdirektor bei uns aus dem Haus gesprochen. Der hat gesagt, wenn die das entschieden haben, dann wird das wohl so richtig sein."


    Alles genauso oder ähnlich mit: "Papa, ..." und alles ebenso ohne Worte und mit tiefstem Empören und weiter anhaltender Verletzung in mir. Ach, ganz vergessen, die beste Geschichte: "Papa, Justus kann diesen schweren Löffel so nicht halten, die Bedienung kann doch einen neuen bringen. Justus hat auch nicht so das Schmerzempfinden." Papa haut dem 11jährigen Enkelsohn mit dem schweren Löffel auf die Finger. "Siehst du, erhat gezuckt. Also spürt er was."


    So oder ähnlich läuft es bis heute und das war es dann auch mit Verwandtschaft. Alle anderen sind schon lange tot. Und wenn ich mal nicht weiter weiß und mich mal gerne ausheulen möchte, dann kennt Mama bestimmt ein Thema, das noch viel schrecklicher ist, als meine momentanen Sorgen. Und dann gibt es Funkstille, vielleicht über Monate, bis einer so schwer krank ist, dass ich das unmenschlich finde, mich weiterhin nicht zu melden. Falls ich von der Krankheit überhaupt etwas mitbekommen habe. Denn so etwas, wie ganz wichtige, dringende Nachrichten, auf einen Anrufbeantworter bzw. die Sprachbox der Telekom zu sprechen, dafür ist sich Herr Vater leider zu fein. Töchterchen muss schon selbst über viele, viele Kilometer riechen, dass da was im Busch sein könnte ...


    Und so weiter und so fort ...

    ........................................
    Liebe Grüße von Klara


    "Das, was mich behindert,
    damit lerne ich zu leben.
    Der, der mich behindert,
    der lässt mich im Leben leiden."


    © Klara Westhoff

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  • Hallo,


    boah, Klara, das ist heftig ... :-/


    Wir haben viel Glück, meine Eltern sind gaaanz dicke Pluspunkte, und wohnen fußläufig wenige Minuten von uns. Allerdings ist Hans schon ziemlich kompliziert manchmal, und Oma und Opa werden auch nicht jünger. Ich hoffe, Hans wird sanfter und besser lenkbar, bevor meine Eltern gebrechlicher werden.


    Die Onkel und Tanten von Hans: gemischt, manche können gar nicht mit ihm (was zur Folge hat, dass er sich daneben benimmt, weil er überfordert ist oder Ablehnung riecht), manche können gut mit ihm, was zur Folge hat, dass er manchmal über sich hinauswächst :)

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

    2 Mal editiert, zuletzt von Enscha ()

  • Klara, :eek Das ist enttäuschend.


    Und wenn ich mal nicht weiter weiß und mich mal gerne ausheulen möchte, dann kennt Mama bestimmt ein Thema, das noch viel schrecklicher ist, als meine momentanen Sorgen.


    Das kenne ich von meiner Schwiegermutter. Als mein Sohn noch klein war und wir noch nicht wussten, wohin die Reise geht und ich mir wegen der Entwicklung und der Epilepsie viele Sorgen machte und Kummer hatte, musste ich mir ständig anhören, dass es ja noch viel Schlimmeres geben würde. Meinen Kummer durfte ich nie zeigen und wenn ich es doch tat, dann wurde mir gehörig der Kopf gewaschen, allerdings muss ich sagen, dass meine Schwiegereltern damals öfter die Betreuung übernommen haben z.B. wenn ich zur Arbeit musste und die Kinder krank waren.
    Ich habe mir schon vor ewigen Zeiten abgewöhnt, mit meinen Schwiegereltern über meine Sorgen zu reden, aber ich hätte mir sehr gewünscht, sie wären Vertrauenspersonen für mich gewesen.
    Nun sind meine Schwiegereltern selbst auf Hilfe angewiesen.


    Die restliche Familie meines Mannes - also Cousinen, Cousins, Tanten, Onkel, Schwager, Schwestern- sehen wir nur auf Familienfeiern und von dieser Seite ist absolut kein Interesse da. Leider hat sich - aus welchen Gründen auch immer - nie eine Beziehung aufgebaut, was ich sehr schade finde, denn ich habe mir immer eine Großfamilie gewünscht.


    Mein Vater ist noch fit wie ein Turnschuh.
    Er lebt und liebt sein Leben, aber wenn er Zeit hat, dann ist er hilfsbereit und zeigt Interesse an unserer Situation. Er möchte, dass es mir gut geht. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Er fragt oft, ob wir zusammenziehen wollen.
    Leider habe ich keine weitere Verwandtschaft. Meine Eltern waren Einzelkinder und so gibt es keine Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins auf meiner Seite, was ich sehr vermisse.

  • Ein interessantes Thema, danke Ella! Du eröffnest wirklich so coole Threads!


    Bei uns ist ja nur mein Teil der Familie direkt greifbar, die Seite meines Mannes wohnt fast gänzlich in Südamerika. Eine seiner Cousinen studiert und lebt gerade in Wien, mit ihr treffen wir uns ab und zu, aber auch nicht wirklich regelmäßig. Wenn sie allerdings da ist, dann spielt sie super mit den Kindern, und beide Kinder mögen sie und ihren Mann total gern. Wann immer männliche Verwandte meines Mannes zu Besuch sind oder wir dort, dann sind das richtige "Heros" für meinen Sohn. Keine Ahnung, was es damit auf sich hat, aber die mag er alle sofort, mit denen spielt er sofort, mit denen spricht er sofort.


    Meine Mutter: pensioniert, sehr hilfsbereit, leider ein wenig tollpatschig im Umgang mit dem kleinen Prinzen. Ich denke, sie wird sich da auch nicht mehr ändern können. Es wirkt und klingt bei ihr alles so gekünstelt, so aufgesetzt. Das nervt mich persönlich schon seit Ewigkeiten, aber ich komme damit meistens klar. Meinem Sohn ist das aber zu schwammig, zu wenig authentisch, das mag er nicht. Ich versuche, auf beiden Seiten die nötigen Sachen zu sagen, damit die Beziehung wachsen kann. Mögen tun sie sich, da bin ich sicher.


    Mein Vater: der persönliche Held des kleinen Prinzen. Er ist eher der ruhige Typ, der meinen Sohn wirklich abgöttisch liebt und ihn als ganz besonderen Menschen sieht. Das spürt der kleine Große natürlich, und bleibt problemlos beim Opa. Meine Eltern sind geschieden. Gesundheitsbedingt war mein Vater jetzt eine Weile nicht einsatzbereit, aber ich werde das langsam wieder aktivieren, vielleicht darf ihn der Opa ja auch mal vom Kindergarten abholen.


    Meine Schwestern: ich habe 3 davon, eine ist nur 8 Minuten und eine 10 Jahre älter, die andere nur 11 Monate jünger als ich. Bruder gibt's leider keinen. Meine Zwillingsschwester wäre eigentlich vom kleinen Prinzen auserwählt, springt aber leider überhaupt nicht auf diesen Zug auf. Sie ist alleinerziehend (1 Sohn mit 8 Jahren), und arbeitet 25h, und mehr kann und will sie nicht. Vor dem KiGa-Start hatte ich sie einmal gebeten, ob wir bei ihr "Verabschieden" üben könnten 1 x wöchentlich, war ihr nach ein paar Mal einfach zu viel. Die andere, jüngere Schwester ist die Taufpatin meiner Kinder, sie ist leider extrem unsicher im Umgang mit dem kleinen Prinzen. Die größere Schwester lebt ein bisschen weiter weg und arbeitet in der psychischen Krankenpflege, analysiert und kommentiert vieles vom Verhalten meines Sohnes in eine Richtung, die mir nicht taugt, weil sie in meinen Augen vor lauter "typisch Autismus" das "typisch [NamedeskleinenPrinzen]" einfach nicht sieht.


    Aufpassen oder so kommt nur meine Mutter, meine Schwestern haben insgesamt 5 Mal auf meine Kinder geschaut, als mein Mann und ich eine Eheberatung in Anspruch genommen haben. Seither haben wir nie wieder etwas zu zweit unternommen...

  • Verwandtschaft ist echt so ein Spezialthema...
    In meinem Fall ist es ja anders, da ich selber die behinderte bin... Aber das Problem ist... Ich seh nicht behindert aus und psychische Krankheiten werden sowieso nicht wirklich verstanden. Es ist wahrscheinlich ein Segen das meine Verwandtschaft so weit weg ist und wir uns nur sehr, sehr selten sehen. Aber wenn wir uns sehen ist es für mich verdammt anstrengend so zu tun, als wäre alles normal. Von den wirklichen Problemen haben sie keine Ahnung.


    Meine Mutter selber weiß da ein bisschen mehr. Sie ist da auch offener... Aber ich glaube, auch sie sieht nicht wie stark eingeschränkt ich wirklich bin. Liegt sicher auch daran, weil ich früh von Zuhause weg bin und im Teenageralter alles noch komplett anders war...



    Ich glaube gerade die ältere Generation ist oft sehr schwierig was das Thema angeht. Die sind in einer Zeit groß geworden, wo Behinderung noch etwas völlig anders war. Also es wurde alles ganz anders gewertet, es wurde völlig anders mit behinderten umgegangen etc...
    Dazu kommt noch, das meiner Meinung nach sehr viele Menschen aus dieser Generation selber eigentlich psychische Probleme haben, aber die Wege die wir heute gehen nicht kennen. Sie bewerten also bei sich selber schon alles ganz anders...


    Es ist wirklich traurig irgendwie... Aber wenn ich lese was Klara mit ihrer Familie durchmacht, dann denke ich dass das nicht nur keine Hilfe, sondern mehr Schaden ist. Meine persönliche Meinung.

  • Aber das Problem ist... Ich seh nicht behindert aus und psychische Krankheiten werden sowieso nicht wirklich verstanden.


    Trixi, das ist ja leider auch beim Autismus so.
    Für uns ist das ein ganz großes Problem. Dadurch ist es nicht nur schwerer innerhalb der Familie Hilfen zu erhalten, sondern auch außerhalb der Familie.
    Was es bedeutet mit dieser Behinderung zu leben, kann ich nur ganz schwer vermitteln. Man muss es selbst erleben, um zu erahnen, was es bedeutet.

  • Wann immer männliche Verwandte meines Mannes zu Besuch sind oder wir dort, dann sind das richtige "Heros" für meinen Sohn. Keine Ahnung, was es damit auf sich hat, aber die mag er alle sofort, mit denen spielt er sofort, mit denen spricht er sofort.


    Vielleicht liegt es an der Mentalität?
    Ich stelle mir die Südamerikaner sehr offen und unkompliziert im Umgang mit Kindern vor. Vielleicht hat dein Sohn da eher eine Wellenlänge.

  • Ich stelle mir die Südamerikaner sehr offen und unkompliziert im Umgang mit Kindern vor


    Aber warum dann vor allem die Männer? Seine abuelita (Oma) muss er nicht unbedingt haben ... Generell hab ich den Eindruck, Männer haben es gleich um ein ganzes Stück leichter bei ihm. Und Brillenträger :thumbup:

  • Ganz spontan würde ich sagen, das er als Junge wahrscheinlich mit Männer mehr anfangen kann als mit Frauen. Ich mein, das ist doch bei Mädchen meistens genauso, das sie sich eher zu Frauen hingezogen fühlen und mit denen besser klar kommen als mit Männern.

  • Die Verwandtschaft ... ein gute Thema.


    Nein Unterstützung hab ich nicht wirklich. Früher ein wenig von meinen Eltern, aber seit meine Mama selbst schwer erkrankt ist auch nicht mehr.


    Als wir die Diagnose Asperger bekommen haben, wollte es in der nahen Verwandtschaft so keiner richtig wahrhaben. Meine Tochter ist ja normal. Erst mit der Zeit haben sich viele eingestanden, dass sie doch anders ist. Meine Mama zB hat länger gebraucht um zu akzeptieren, dass meine Tochter einen Behindertenausweis hat, sie sei ja nicht behindert. Erst als sie die ersten Wutanfälle (welche heute gsd nur noch selten vorkommen) mitbekommen hat wurde ihr klar, dass ich nicht alles erfinde.


    Unterstützung selbst hab ich keine ... auch kaum von meinem Mann, da bin ich Großteils auf mich alleine gestellt.


    Allerdings kam dann mit der Diagnose heraus, dass in der Familie auch andere ähnliche Symptome zeigen, wie meine Schwester oder mein Papa als er jung war, zum Teil heute noch.


    Heute bin ich froh, dass meine Tochter mit 10 schon so selbständig ist, sonst hätte ich sicher größere Probleme, besonders was die Betreuung betrifft. Alle Wege die zu erledigen sind bleiben an mir hängen, alles nicht immer leicht unterzubringen, da ich ja noch Vollzeit arbeite. Der Stresslevel ist bei mir daher meist doch ziemlich hoch.


    Andererseits sehe ich dann aber auch wieder in meiner Verwandtschaft meine schwerst behinderte Cousine - sie benötigt rund um die Uhr Betreuung (sie ist schon an die 50), sitzt im Rollstuhl, kann gar nichts alleine, weder Essen, noch aufs WC oder sonst was, ständig auf Hilfe angewiesen und das seit ihrer Geburt...im Vergleich dazu bin ich froh, dass es uns nicht härter getroffen hat.


    Trotzdem manchmal wäre etwas mehr Unterstützung wünschenswert.

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