Autismus – Gefühle lesen lernen

  • Hallo.
    Der Film, den man da auf der verlinkten Seite sieht, ist ja ganz sympathisch gemacht. Allerdings ist es so, dass auch der (ebenfalls oft am Computer abgefragte) Augenpartie-Teil, den Psychiater gerne mal in der "offiziellen" Autismus Diagnostik benutzt, ja inzwischen auch etwas kritischer gesehen wird. Aufgrund der etwas verallgemeinernden, platten Aussage "Autisten verstehen fremde und eigene Emotionen nicht" jetzt ein Computertrainingsprogramm an den Start zu bringen, um (einmal mehr) die defizitären unempathischen Autisten etwas mehr auf neurotypisch zu trimmen finde ich eher befremdlich. Mir z.B. hilft mehr menschlicher Umgang besser als irgendein Drill am Computer.
    Schauspieler haben übrigens, so begabt sie sein mögen, keine Naturmimik. Das ist mir auch in dem Film aufgefallen: in dem Trainingsprogramm ziehen Schauspieler alberne Grimassen, das ist keine Naturmimik. Ich kann sehen, was das für eine Emotion sein soll, aber solche Mimik haben die Menschen im normalen Leben nicht.
    Ich muss sagen: wenn man mich drillt, in die Augen zu sehen (wurde meine ganze Kindheit versucht), kann ich nicht mehr reden und zuhören. Irgendwann breche ich zusammen.
    Und dieses Spielchen da auf der verlinkten Seite: gibt es da auch ein Ergebnis, wenn ich das spiele? Irgendwie gibt es am Ende keine "Auflösung". Was sollen diese etwas dümmlichen Aufgaben? Ich komme mir da etwas "verschaukelt" vor, als wäre ich debil, dass die meinen, ich würde mit solchen Sachen Schwierigkeiten haben. Hat auch nur am Anfang etwas mit Emotionserkennung zu tun, was die da fragen. Später wird es linguistisch.
    Ich finde es auch eher ärgerlich, wenn eine ambitionierte Psychiaterin sich wieder darauf versteift, Autisten "trainieren" zu wollen mit der wohlmeinenden Aussage: "Ich will denen helfen". Sie wirkt sympathisch, amitioniert (oder schätze ich ihr Gesicht falsch ein ;) ?). Schön wäre gewesen, sie hätte etwas "Neues" versucht/entwickelt. Wenn sie sagt, ihr sei aufgefallen, dass Autisten wenig auf die Augen schauen: gähn. Ganz was Neues (Ironie). Dann hat sie das Hirn gemessen....ja, aber das ist schon länger bekannt, dass bestimmte Hirnareale anders oder weniger reagieren bei Autisten. Vermplempern von Forschungsgeldern :icon_lol .
    Das gezeigte Kind, Lutz, hat Probleme in der Schulpause und ein Gesichtserkennungs-Trainingsprogramm soll dagegen helfen? Leuchtet mir nicht ein. Und die Quintessenz ist dann: Autistische Menschen müssen permanent üben, um andere Menschen zu verstehen.Tja, da könnte ich sagen: dann müssen neurotypische Menschen auch permanent üben, um autistische Menschen zu verstehen. Das tun sie aber nicht. Und ich schreibe jetzt kein Computer- Trainingsprogramm, das die machen sollen :P .
    Lynkas grüßt.

  • Hallo,


    also, bei Asperger kann ich diesbezüglich nicht mitreden, aber Hans braucht beim Emotionen erkennen, beim Mimik lesen, definitiv Hilfe und Training. Er hatte mal über ca ein halbes Jahr von mir so Emotionen-Karten (Link folgt) in der Einrichtung - zuhause wollte er nicht. Und er hat da zeitweise ein Spezialinteresse draus gemacht, war für ihn echt spannend. Nach dieser Zeit fing er zb damit an, Lachen bei anderen zu kritisieren. Es war glasklar, dass er das vor dieser Trainingsphase nicht erkannt hatte.
    Er hat diese Karten monatelang mit einer Erzieherin tagtäglich angeguckt und besprochen, und natürlich hat er auch im echten Leben Hinweise bekommen, wie Emotionen bei anderen zu erkennen sind, aber auch an sich selber. ("Siehst Du, jetzt bist Du grade total erschrocken.")
    Wir hatten damals auch am iPad speziell dafür entwickelte Apps, die Hans auch gut fand, und fleißig geguckt hat (alleine).


    ich denke, man muss das sicherlich maßschneidern, und diese Computerprogramme kann ich nicht beurteilen. Aber dass, wie die Fachfrau im Film sagt, Autisten Hilfe bekommen sollen, andere Menschen lesen zu lernen, finde ich auch sehr wichtig und zentral. Nicht nur in Bezug auf Mimik. Andersrum wäre auch schön - wenn Nichtautisten lernen, dass zb ein scheinbar abweisendes Gesicht gar nicht abweisend gemeint ist, wenn es zb einem Autisten gehört. ;)


    Edit: hier der Link zu den Emotions-Karten, die werden auch im Therapie-Setting verwendet, daher bin ich drauf gekommen. http://www.ariadne.de/inklusiv…emotionskarten-n/824-606/


    Das ist eine von unseren alten Gefühle-Apps:
    https://itunes.apple.com/de/ap…emotions/id451685022?mt=8


    Grüße

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

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  • Trixi

    Hat das Label Autismus hinzugefügt.