Diskussion neue diagnostische Leitlinien ASS

  • Ich denke, es wär gut, wenn wie hier mal ein bisschen sammeln, und diskutieren, was die neuen Leitlinien zur Diagnostik bedeuten, die jetzt so langsam in der Praxis "durchschlagen":


    http://www.aerztezeitung.de/me…rung-veroeffentlicht.html


    http://www.dgkjp.de/leitlinien-top


    Den Link hier hab ich noch nicht gelesen, kann ich noch nicht einordnen, klingt interessant:
    http://www.autismus-niedersach…tandard_Lu_2013-04-21.pdf

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

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  • Ich finde eigentlich grade gut, dass die Schweregrade nicht klar sind, denn das können sie gar nicht sein,finde ich. Das kommt sehr viel auf die Umwelt an, auf die aktuelle (synchron) und auf die bisherige (diachron, also die Biographie), und ausserdem über die Kombi der Besonderheiten, dann nochmal wie das alles dynamisch über die Jahre zusammenwirkt
    :schock


    Ich bin mir schon bei meinem eigenen Kind nicht klar ...
    Also, dass Hans kein unauffälliger ist, das ist mir schon klar. :P
    Aber die Schwierigkeiten haben wir ja mit den Blockaden, der Verweigerung,dem eingebauten "Gift", auf der grundsätzlichen Ebene mit der Hyperempfindlichkeit (von der der Rest wohl kommt). Ich kenne mindestens einen Asperger, der diese Probleme ähnlich hat. Und ich weiß aktuell nicht, wo wir mit guter Förderung noch landen können ...


    Interessante Fragen kommen da auf :)


    Vielleicht könnte man den Schweregrad der ersten Jahre einigermaßen eingrenzen: zb mit der Frage "Wieviel lernt das Kind von selber?" "Wie sehr geht das Kind aus seiner Welt heraus unter guten Bedingungen?" Und so ... Neee, ist auch nicht hilfreich, glaube ich.



    Was ich problematisch finde, dass jemand der wie ein Autist denkt und wahrnimmt, inklusive "Kontextblindheit", aber keine repetitiven und/oder stereotypen Verhaltensweisen hat, nach dem DSM5 keine Diagnose mehr bekommt, nicht mehr zum Spektrum gezählt wird. :icon_eek
    Keine Diagnose (in einem medizinischen Sinn) fände ich dann okay, wenn wir schon eine inklusive Gesellschaft, vor allem eine inklusive Schule hätten, wenn auf alle eingegangen wird, dann braucht es für viele keine Diagnose. Aber nach dem Ansatz der Neurodiversität (den ich teile): Im autistischen Spektrum sind sie trotzdem ...

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  • Was ich problematisch finde, dass jemand der wie ein Autist denkt und wahrnimmt, inklusive "Kontextblindheit", aber keine repetitiven und/oder stereotypen Verhaltensweisen hat, nach dem DSM5 keine Diagnose mehr bekommt, nicht mehr zum Spektrum gezählt wird. :icon_eek


    Ich sehe das auch problematisch, aber ich fürchte, den mutmaßlichen Grund hat Colin Müller schon ganz richig erkannt:


    Zitat

    Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es wohl sinnvoller, die sogenannte “Soziale Kommunikationsstörung” als Teil des Autismus-Spektrums zu betrachten. Die Einordnung im DSM-5 macht ein wenig den Eindruck, als wolle man aus politischen Gründen (“Kosten sparen”) einige autistische Menschen aus der Kategorie Autismus ausgliedern.


    http://autismus-kultur.de/auti…-5-diagnosekriterien.html


    Es sieht wirklich danach aus, als wenn die Neuordnung der Diagnosekriterien nicht nur medizinische, sondern teilweise auch politische Gründe hat. Eigentlich ist es ein Unding, dass Wissenschaft (auch die Medizin) sich immer auch politischem und gesellschaftlichem Druck beugen muss. Mal mehr, mal weniger. Früher waren eher ideologische Absolutismen, wie z. B. das kirchliche Welbild, die eine unabhängige Forschung nicht möglich gemacht haben, siehe z.B. Giordano Bruno oder Galileo Galilei. Heute wirkt der Druck subtiler und versteckter über die allgegenwärtigen finanziellen Zwänge, so dass Wissenschaft auch heute noch längst nicht so frei und unabhängig ist, wie sie eigentlich sein sollte.

  • Ich sehe das auch problematisch, aber ich fürchte, den mutmaßlichen Grund hat Colin Müller schon ganz richig erkannt:


    Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es wohl sinnvoller, die sogenannte “Soziale Kommunikationsstörung” als Teil des Autismus-Spektrums zu betrachten. Die Einordnung im DSM-5 macht ein wenig den Eindruck, als wolle man aus politischen Gründen (“Kosten sparen”) einige autistische Menschen aus der Kategorie Autismus ausgliedern.


    Mein Sohn wurde auch mit Diagnose aus dem Spektrum ausgegliedert, indem man die Diagnose völlig ungeniert anzweifelte. So haben die Ämter versucht, ihm Leistungen vorzuenthalten und Kosten einzusparen.
    Nun wird der Kreis noch enger gesteckt. Ich sehe schwarz.

  • Ich finde eigentlich grade gut, dass die Schweregrade nicht klar sind, denn das können sie gar nicht sein,finde ich.


    Ich meinte eher, müssen die überhaupt da rein? Würde es nicht reichen, einfach von einem Spektrum zu sprechen, ohne diese Einteilungen? Wenn man den Eltern sagt, Schweregrad 3 z. B., vielleicht sehen sie dann gar nicht das ganze Potenzial, das beim Kind aber da wäre, weil sie so traurig und zermürbt sind ...


    Das ist mir durch den Kopf gegangen, als ich diesen Teil gelesen habe.


    Und ja, ich finde es genauso schlimm, dass man da - wohl aus Kostengründen - Menschen aus dem Spektrum ausgliedert, die trotzdem einen gewissen Grad an Unterstützung brauchen, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.

  • Michie, da hast Du schon recht. Aber ich denke, eine gutachterliche Angabe des Diagnostikers, wie gravierend die Störungen sind, ist wichtig für die Hilfen (SBA, Eingliederungshilfe, ...) die man mit der schriftlichen Diagnose als Grundlage bekommen kann.
    Wenn ich das richtig sehe, obliegt es dem Diagnostiker, dafür die richtigen Worte zu finden, insofern ist das eine individuelle Beschreibung,



    Übrigens gelten für Diagnosen in D (und das beeinflusst wohl auch die Diagnosepraxis in Ö) die 2016 neu erarbeiteten Leitlinien zur Diagnostik, die ich Eingangs verlinkt habe, nicht der US-amerikanische DSM5 (obwohl der natürlich auch früher oder später durchschlägt).

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  • Natürlich wäre es eigentlich so, dass die Diagnosekritrien erst einmal nur in den US verwendet werden, allerdings gab es ja "drüben" im anderen Forum auch eine TE, die davon erzählte, dass der KJP sich mit seiner Diagnose bereits auf die DSM5 berufen hat und das Kind nur die soziale Kommunikationsstörung erhielt...


    Zum Thema "Schweregrade" bin ich gerade auf einen genialen Eintrag gestoßen, den ich hier gerne teile: https://butterblumenland.wordp…em-und-schwerem-autismus/.

  • Da bin ich auch dabei, das Gerede über "mild" (meistens Asperger) und "schwer" (meistens nonverbaler FKA) stimmt nicht und bringt nichts.
    Aber unabhängig vom sichtbaren Intelligenzniveau braucht es für adäquate Hilfen im jetzigen System eine fachliche Einschätzung, wie das Kind AKTUELL mit dem Außen zurecht kommt, welches Ausmaß an Hilfen es braucht. In der Richtung würde ich den "Schweregrad" festmachen (also dynamisch, nicht statisch zugeschrieben).
    Der Text von Butterblumenland gefällt mir auch, ich habe das immer gemeinsam gesehen, das ganze Spektrum, und mir nur deshalb von vielen Innenansichten Erwachsener soviel mitnehmen können. Auch andersrum profitieren zb Eltern "klassischer" Aspergerkinder vom Vergleich mit weniger kompensierenden Kindern ...

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  • Hallo, Enscha,


    Asperger-Kind hat aber nichts mit besserem Kompensieren zu tun. Es gibt Asperger-Kinder, die sind schlechter im Kompensieren als hochfunktionierende frühkindliche Autisten. Asperger hat nur was mit dem späteren Eintritt der Auffälligkeiten zu tun.

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    Liebe Grüße von Klara


    "Das, was mich behindert,
    damit lerne ich zu leben.
    Der, der mich behindert,
    der lässt mich im Leben leiden."


    © Klara Westhoff

  • Hi Klara,


    ich glaube, dass man das gar nicht so pauschal sagen kann und dass das sehr von der diagnostizierenden Person abhängt. Der Sohn einer Bekannten war viel früher viel auffälliger als der kleine Prinz und hatte immer nur Asperger als Diagnose, A. Brauns hat hingegen glaube ich nicht gesprochen bis zum Schuleintritt oder so und hat trotzdem die Diagnose Asperger bekommen, der kleine Prinz jedoch "atypischer Autismus"...

  • nach den offiziellen, bisher gültigen Kriterien ist das so die Einteilung, michie. Stimmt natürlich, dass es viele Diagnostiker gibt, die leider unfähig sind und diese Kriterien nach eigenem Gutdünken anwenden. Das finde ich sehr frustrierend, denn dadurch kommt es ja, dass alles so schwammig gehandhabt wird.


    Brauns gehört auf jeden Fall zu den frühkindlichen, hochfunktionierenden. Er gehört aber zu der Generation der 1960-er geborenen. Die Diagnostik in der Form gibt es aber erst seit den 1990-er Jahren

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    Liebe Grüße von Klara


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  • Trixi

    Hat das Label Autismus hinzugefügt.