Der ist doch kein Autist!!!

  • ...der Klassiker, sozusagen...


    Heute, beim Ausflug in den Wald haben wir eine Familie getroffen, die bei uns im Dorf wohnt. Bisher haben wie uns immer nur gegrüßt, heute kamen wir ins Gespräch.


    Der Sohn der Familie ist (noch) fünf, so groß wie meiner und kommt dieses Jahr in die Schule. Zwangsläufig kam die Frage, ob mein Sohn auch in die Schule kommt. Nein, er kommt schon in die 3.Klasse, er ist ja schon acht... Jedenfalls haben wir uns weiter unterhalten und die beiden Jungen haben miteinander gespielt. Irgendwann kam das Gespräch auf die Kita, in welcher wir waren, in welcher sie noch sind und ich erwähnte auch die integrative Kita in der mein Sohn war.


    Daraufhin kam dann vom Vater des Jungen die Frage, ob es einen Grund hatte, dass wir dort waren, oder ob wir als Regelkind dort waren.
    Da beide sehr nett und aufgeschlossen waren, habe ich direkt gesagt, dass Junior Autist ist.


    Dann ging es los, der Vater des Jungen war entsetzt, er sei nun kein Mediziner, aber in der Familie gäbe es einen richtigen Autisten, aber mein Sohn??!! NIEMALS!!! Wie er schaut und gar nicht in seiner Welt usw.
    Psychologen würden sich mit solchen Diagnosen profilieren wollen, in den Diagnosekriterien würden immer mehr Verhaltensweisen als pathologisch eingestuft, früher hätten solche Kinder GAR NICHTS gehabt, aber heutzutage ist ja alles gleich ein Syndrom, ADHS kommt von zu viel Zucker... wer so was macht, einem Kind wie diesem (meinem) so was anzudichten?! Asperger wäre ja wohl die mildeste Form von Autismus, aber nicht mal das könne sein! Dann wär er halt hochsensibel, aber niemals Autist, so viele Wissenschaftler müssten dann auch Autisten sein usw. usf. ...


    Ich war erst echt geplättet, seine Frau hat immer wieder gesagt, er soll es doch jetzt gut sein lassen, er kennt mein Kind doch gar nicht!


    Ich habe dann nur gesagt, dass ich in Bezug auf Förderung wohl alles richtig mache und gemacht habe, noch vor ein, zwei Jahren wäre so ein gemeinsames Spiel und einiges mehr nicht möglich gewesen!
    Die Frau hat auch nett nachgefragt und ich habe dann noch Einiges erzählt von Junior früher.
    Daraufhin hat er wohl gemerkt, dass das nicht der Burner war, er hat dann auch zurück gerudert und einiges relativiert, aber irgendwie komisch sind solche Gespräche doch immer im Nachgang :/


    Ich freue mich WIRKLICH über diese Fortschritte von meinem Sohn! Das muss ich mir auch immer vor Augen halten, wenn ich zweifle, ob ich alles richtig mache.
    Ich kenne aber auch seine Schwierigkeiten.


    Ich gehe da eben wieder von mir aus - ich würde nie jemandem absprechen, der zu mir sagt, er (oder sein Kind) hat dies oder jenes.


    Schon eigenartig, wie manche Leute sich verhalten, oder?


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    Liebe Grüße von Phila


    Sohn *2008 HFA / ADHS
    Mama *1972 operierte Skoliose
    Sternchen im Herz 2008


    Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

  • Allerdings :P


    da hat sich ja der fremde Vater deutlich auffälliger verhalten als Dein Sohn, an dem Nachmittag. Das lässt auch tief blicken.
    Und wahrscheinlich hat ihm seine Frau dann noch ordentlich den Kopf gewaschen :P


    zu mir hat mal ein Busfahrer vom Fahrdienst (!) gesagt, über Hans: das ist doch kein Autist, nie im Leben. Wohlgemerkt, selber einer, der absolut wie auf Schienen war ...


    Viellecht will man ja oft grade das nicht wahrhaben, was einem zu nahe kommt ...

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

  • Enscha,


    ich glaub auch, der durfte sich daheim was anhören :P


    Juniors eigener Vater meinte auch mal zur Therapeutin vom ATZ, er versteht das alles gar nicht, was da sein soll, er wäre genauso wie Junior und schließlich wäre ER ja normal... klar doch!!! :lach


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    Liebe Grüße von Phila


    Sohn *2008 HFA / ADHS
    Mama *1972 operierte Skoliose
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  • Hi,
    also mein Mann ist auch immer der Ansicht, er sei Max Mustermann, nur alle anderen sind anders ;)


    Wir bekamen schon öfters zu hören (vor allem als Junior noch kleiner war) "der ist doch nicht behindert, der kann doch laufen!" Oder: "Seine Augen sind doch ganz normal".


    Ich glaube gerade bei Ad(h)s und Autismus spielen Vorurteile eine sehr, sehr große Rolle, auch bei Fachpersonal.
    (Blickkontakt, IQ etc pp).


    Mein PS wirkt außerhalb auch immer sehr normal und ist VÖLLIG unauffällig (ist seine ganz spezielle Strategie), dafür bekommen wir dann hier im sicheren Rahmen alles ab.
    PT, die schon von weitem ein sehr auffälliges Gangbild und Bewegungsmuster hat, kaum sprechen kann, also wirklich offensichtlich nicht "normal" ist, geht bei vielen auch noch als "bisschen" anders (sie bekommt doch Logo, oder?) durch und sie ist wirklich eine harte Nummer mit enormem Unterstützungsbedarf.


    Liegt glaube ich auch viel daran, dass Behinderung was GAAAAAAAAAANZ SCHLIMMES ist, das nicht sein darf und natürlich werden "unbequeme" Kinder immer nur mit Medis ruhiggestellt.
    Verhaltenoriginalitäten liegen nur an mangelnder oder falscher Förderung (sei es im Elternhaus oder in der Institutionellen Förderung).


    Entweder schwarz oder weiß, grau ist keine angesagte Farbe...


    LG, Finnja

  • Oh Finnja, Du sprichst mir grad aus der Seele!


    Heute morgen schon ging Jr. hier ab wie "Schmitts Katze" :S
    Vorhin dann die Krönung, eine Stunde Geschrei wie Oskar in der Blechtrommel :eek
    Dieser irre Ton in dieser irren Lautstärke...Oskar aus der Blechtrommel war einfach zu leise. Meiner kann das viel besser! ;(


    Wie gern hätte ich den netten Mann von gestern vorhin hier gehabt, als Oskarchen seinen Stuhl in dem Tisch gerammt hat, dass dieser Dellen hat, die Zahnbürste zerbrochen und nach mir geworfen hat, treten, kratzen beißen wollte, die Möbel attackiert hat und immer wieder zurück kam, wie ein Hund bei so einer Hundeführer-Vorführung, wenn die immer in den Armschutz beißen...


    Laut meinen netten Nachbarn oben bin ich ja aber nur psychisch krank und kann mein Kind nicht erziehen (jaaa, ich werde durchaus auch laut in solchen Situationen!)
    Bestimmt rufen sie wieder das Jugendamt an. Hatten wir ja gerade erst. Kenne ich doch schon.


    Und alles nur, weil ein Spiel nicht klappte und statt, wie ich vorschlug, ein anderes zu probieren. Nee?? Gut, dann Ipad weg... und dann folgte s.o.


    Aber das ist doch sicher völlig normal für einen achtjährigen. Das machen doch alle. Sei doch froh, das Kind hat einen starken Willen.
    Bestimmt ist das nur die Frühgeburtlichkeit gepaart mit hochsensibilität. Natürlich. Aber deshalb dem Kind gleich ein Syndrom anhängen?! Ich geh mal gucken, vielleicht fehlt ja auch nur Schokolade-zu viel Zucker!
    Bestimmt. ...seit fünf Jahren schon.... *Ironie off*


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    Liebe Grüße von Phila


    Sohn *2008 HFA / ADHS
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  • Ich glaube, das Problem liegt wirklich zum einen daran das behindert ja was ganz furchtbar schlimmes ist und man erst dann behindert sein kann, wenn man schwermehrfach behindert ist. Alles andere ist ja nur "minimal" Einschränkung und so schlimm ist das doch gar nicht.
    Ich glaube, damit versuchen Menschen auf eine echt dämliche Weise andere aufzumuntern, weil sie eben keine Ahnung haben und nicht über den Tellerrand schauen können.
    Das nächste Problem ist dann tatsächlich auch XY der dies und jenes hat und der ist ja soooo anders als dein Kind / du und deswegen kann das ja gar nicht so sein. Und wer sich nur oberflächlich mit einem Behinderungsbild beschäftigt und für sich selber abspeichert BehinderungsbildY ist wie XY, dem kann man dann leider auch nicht mehr helfen.



    Im übrigen finde ich es gerade irgendwie faszinierend, was ihr so über die Diagnoseproblematik bei Autismus / AD(H)S schreibt. Ich kenne das bei der Diagnose Borderline nämlich genau anders herum. Da hat man sofort die Diagnose, wenn nur ansatzweise was passt (auch wenn die Symptome sehr wohl auch zu einer anderen Diagnose passen und wie in meinem Fall dazu gehören und nicht zu Borderline). Nicht zu vergessen, dass ja grundsätzlich jeder Mensch der sich irgendwie selber verletzt automatisch Borderline hat (obwohl beides überhaupt nicht zusammen gehört, auch wenn es sicher mehr Menschen mit Borderline gibt die sich selber verletzen, als Menschen ohne Borderline).


    Um vom 100. zum 1000. zu kommen... Ich glaube die Diagnostik befindet sich derzeit in einem echt schrägen Wahn und Differenzierung ist für viele ein Fremdwort. Nicht umsonst gibt es vor allem im psychischen Bereich (da kenne ich mich besser als sonst wo aus) viele Diagnosen die erst nach zig Fehldiagnosen gestellt werden und für Betroffene eine echte Tortur darstellen. Ähnliches habe ich auch über den Bereich Autismus / AD(H)S inzwischen mit bekommen.

  • Hi Trixie,
    ich hab hier weder AD(H)S noch ASS ;)
    Hier habe ich eine chromosomale Geschichte, gepaart mit Frühgeburtlichkeit und Traumatisierungen, im Prinzip genau das, was sich viele Eltern laaaaaaaange (bevor dann GB diagnostiziert wird) als Entwicklungsverzögerung vorstellen und zwei Pflegekinder mit ihren Paketen (jeweils Bindung und einmal gesicherten Alkoholschaden, einmal nicht diagnostiziert)....


    Phila: Solche Tage kenne ich auch, eigentlich kann ich das schon morgens beim Aufstehen sagen, wie solche Tage dann weitergehen.... sind super zermürbend und kosten unendlich viel Kraft.
    Halt die Ohren steif!


    LG, Finnja

  • Traumatisierung ist am schlimmsten da ne vernünftige Diagnose zu bekommen. Also das ein Trauma vorliegt, das ist oft mals noch recht eindeutig zu verstehen, aber ich habe z.B: trotz des Wissens das ein Trauma vorliegt erst nach 7 Jahren die Diagnose [lexicon]PTBS[/lexicon] bekommen. Die richtige Persönlichkeitsstörung habe ich dann nochmal 5 Jahre später bekommen.


    Das mit dem FAS hatte ich irgendwie grad nicht auf dem Schirm gehabt. Aber auch da ist ja glaube ich die Schwierigkeit, das die Diagnose nicht gestellt wird, wenn die Mutter nicht zu gibt, das sie Alkohol getrunken hat, oder hab ich das bisher nicht richtig mit bekommen?


    Ich glaube zum Thema Diagnostik und die Schwierigkeiten dazu könnte man fast einen eigenen Thread aufmachen.

  • Irgendwie ist es doch bei allem so, was nicht mit bildgebenden Verfahren oder im Blut nachweisbar ist, wird in Frage gestellt :/


    Heute meinte sogar unsere Therapeutin vom ATZ, dass sie nicht verstehen kann, wie manche Fachleute nach nur wenigen Minuten Autismus ausschließen!


    Aus dem Grund hatte ich mir "fast gewünscht", dass beim Test auf FraX ein positives Ergebnis rauskommt. DAS hätte niemand angezweifelt!


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    Liebe Grüße von Phila


    Sohn *2008 HFA / ADHS
    Mama *1972 operierte Skoliose
    Sternchen im Herz 2008


    Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

  • Trixi

    Hat das Label Autismus hinzugefügt.