Ich denke es ist total verständlich wenn Eltern da ihre moralischen Grundsätze Vorleben und sich auch für das Kind wünschen.
Sigrid, das kann ich bis zum bestimmten Punkt verstehen und nachvollziehen. Für uns Eltern ist das keine einfache Situation. Wir sind ja selbst oft orientierungs- und hilflos und wissen nicht, was uns erwartet.
Es gibt nicht viele Beratungsangebote und wir haben auch nicht so den Austausch zu anderen Eltern, wie Eltern von nichtbehinderten Kindern ihn haben.
Wir schmoren sozusagen im eigenen Saft.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir uns fragen sollten, ob das richtig und gut ist, dass wir und die Betreuer unsere Moralvorstellungen überstülpen.
Klar, ich lebe meine Moralvorstellungen auch vor, denn sonst würde ich mich ja verbiegen, aber darf man sie den eigenen Kindern oder den Menschen mit Behinderungen "überstülpen", wenn deren Moralvorstellungen von den Moralvorstellungen der Eltern und Betreuer abweichen?
Jeder Mensch hat eigene Vorstellungen von Sexualität und vom Ausleben dieser.
Ich würde meinen Eltern einen Vogel zeigen, wenn sie mich mit ihren eigenen Moralvorstellungen behindern oder belasten und sich in meine Sexualität einmischen würden.
Ich als nichtbehinderter Mensch konnte meine eigene Sexualität entwickeln und leben, so wie ich das wollte.
Und darum geht es mir. Ich möchte, dass auch Menschen mit Behinderungen in ihren Wünschen und Vorstellungen ernst genommen und unterstützt werden.
Auch Menschen mit einer schweren geistigen Behindunge haben sexuelle Gefühle, auch wenn sie das nicht selbst so deutlich artikulieren können.
Was passiert? Wird der Mensch ernst genommen und wird ihm eine eigene Sexualität und das Ausleben von dieser Sexualität gestattet?
Stichwort Sexualbegleitung:
Ich weiß, dass Sexualbegleitung sehr umstritten ist, aber für manche Menschen ist sie die einzige Möglichkeit, ihre Sexualität zu erleben bzw. auszuleben, weil sie nie eine Partnerschaft eingehen können, oder ihnen nie jemand gezeigt hat, was sie mit ihrem Körper alles machen können.
Zärtlichkeiten, Sexualität und eigenes Sexualerleben haben sie noch nie erlebt. Ist das nicht traurig? Ein Mensch ohne Sexualität und Zärtlichkeit, obwohl der Mensch sich danach sehnt.
Sicher wird es auch Menschen geben, die kein Verlangen nach Liebe und Sexualität haben ud denen sollte man natürlich dieses Thema nicht aufzwingen, aber ich denke, die meisten haben das Verlangen danach.....wie eben auch der überwiegende Teil der nichtbehinderten Menschen.
Darf man einem behinderten Menschen die Inanspruchnahme einer Sexualbegleiterin oder gar Prostituierten verbieten, weil es mir als Mutter, Vater oder Betreuer nicht passt, obwohl dies der Wunsch des behinderten Menschen ist?
Man kann darüber sehr kontrovers diskutieren und davon halten, was man will, aber gerade deshalb sollten wir unbedingt darüber diskutieren.
Artikel über Sexualbegleitung:
http://www.sueddeutsche.de/leb…ttys-erstes-mal-1.2235045
http://www.faz.net/aktuell/ges…esem-wunsch-11646434.html
Darüber hinaus würde ich mir mehr Partnerbörsen und Paarberatungsstellen für Menschen mit Behinderungen wünschen.
Das Thema steckt in den Kinderschuhen.....ach was.....in Babyschuhen.
Wird das Thema Liebe, Partnerschaft, Sexualität, Verhütung in den Familien und Einrichtungen genügend thematisiert, oder lässt man die Menschen mit diesem Thema eher alleine?
Was passiert in der Pubertät? Erhalten die Jugendlichen genügend Aufklärung und Beratung, oder wird dieses Thema ab einem gewissen Punkt ausgeklammert?
Wie geht man mit Homosexualität um? Ermöglicht man den Menschen mit Behinderung, ihre Homosexualität auszuleben? Ich denke, dieser Bereich stellt ein noch größeres Tabu dar.
Wir leben in einer übersexualisierten Welt. Überall wird man mit Sex, nackten Frauen und Männern konfrontiert und in dieser übersexualisierten Welt ist die Sexualität behinderter Menschen immer noch ein Tabuthema. Warum?