LSG Berlin-Brandenburg Entscheidung vom 13. Juli 2017 (L 9 KR 60/17)
Hörgeräteversorgung
...." Die vom Gericht hierzu veranlasste Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg – MDK - (Frau Dr. M) vom 24. April 2017 teilt die Auffassung des von der Antragstellerin eingeschalteten Audiologen, dass die Messung für das von der Antragstellerin gewählte Gerät ein signifikant besseres Sprachverstehen in Ruhe und im Störgeräusch im Freiburger Einsilbertest ergeben habe. Auch der Oldenburger Satztest belege adaptiv gemessen eine signifikante Steigerung des Sprachverstehens im Störalarm. Der MDK kommt deshalb zu der zusammenfassenden Bewertung, dass die Messreihe damit geeignet sei, eine zweckmäßige Versorgung mit dem von der Antragstellerin gewählten Hörgerät und „einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber dem vergleichend getesteten Festbetragsgerät zu belegen“. Damit sind die Voraussetzungen, nach der Rechtsprechung des BSG und des Senats zur Versorgung mit Hörgeräten als Sachleistung ohne Beschränkung auf den Festbetrag erfüllt.74.)
Soweit der MDK diese Voraussetzungen trotz seiner medizinischen Einschätzung mit der Begründung verneint, dass nicht belegt sei, dass die Antragstellerin angesichts von mehr als 300 Hörhilfen für die bei ihr festgestellte Schwerhörigkeit einzig mit dem von ihr gewählten Gerät zweckmäßig und damit festbetragsübersteigend versorgt werden könne, ist dem nicht zu folgen. Es ist nämlich Aufgabe der Antragsgegnerin und des diese beratenden MDK in Fällen wie dem vorliegenden, eine oder auch mehrere andere Festbetragsgeräte zu benennen, mit denen die Antragstellerin gleich gut wie mit dem von ihr gewählten System versorgt werden könnte. Verzichtet die Antragsgegnerin unter Verstoß gegen § 14 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch (SGB I) auf eine solche Benennung preiswerterer Geräte und überlässt dem Hörgeräteakustiker die Auswahl der Vergleichsgeräte, ist sie in gerichtlichen Verfahren mit dem Einwand ausgeschlossen, die Zweckmäßigkeit des gewählten Geräts sei nicht erwiesen. Denn die Festbetragsregelung im Hilfsmittelbereich enthebt die Krankenkassen nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen der Sachleistungsverantwortung für die ausreichende Versorgung der Versicherten Sorge zu tragen. Hieraus können gesteigerte Obhuts- und Informationspflichten erwachsen, wenn - wie bei der Versorgung mit Hörgeräten - der notwendige Überblick über die Marktlage, die durch ein hohes Maß an Intransparenz gekennzeichnet ist, und geeignete Angebote auch bei zumutbarer Anstrengung für Versicherte schwierig zu erlangen sind (vgl. hierzu Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. April 2016 – L 13 R 5102/13 –, juris). Verletzt die Krankenkasse diese Pflichten, trägt sie und nicht der Versicherte die materielle Beweislast dafür, dass der Versicherte mit einem Festbetragsgerät gleich gut wie mit dem von ihm gewählten Gerät versorgt werden könnte."....