Hallo Ella,
ganz vorbildlich würde ich die Barrierefreiheit im NS-Dokumentationszentrum nicht nennen. So gibt es die taktilen Pläne für Blinde und Sehbehinderte nur im Erdgeschoss, das Haus hat aber auf 4 Etagen seine Ausstellungsräume. Positiv ist, dass weitere Angebote entwickelt werden wie Mediaguides in Gebärdensprache und für Blinde.
Wer zur Buchpräsentation kommt, wird außerdem bemerken, dass offensichtlich nicht daran gedacht wurde, dass bei einer Veranstaltung auch mal ein Mensch im Rollstuhl einen Vortrag hält oder an einer Diskussionsrunde teilnimmt (wo kämen wir da auch hin ...). Es führen nämlich einige Stufen auf die erhöhte Bühne, die erstmal überwunden werden müssen und am 2. Juli auch werden.
Das Programm der Gedenkbuchpräsentation ist noch nicht online, aber ich kann schon verraten, dass sich eine Gesprächsrunde auch mit der Bedeutung der "Euthanasie"-Verbrechen für heute auseinandersetzt. Wir sind nach wie vor weit von einer inklusiven Gesellschaft entfernt (das brauche ich hier eigentlich nicht zu betonen), wir sind es im Alltag nicht gewohnt, mit allen Mitgliedern der Gesellschaft einen Umgang zu haben, weil - wie ein kritischer Psychiater im Januar im Landtag anlässlich der Ausstellungseröffnung von In Memoriam im Gedenken an die "Euthanasie"-Opfer angemerkt hat, auch heute noch eine große Zahl von Menschen mit Behinderungen in "Behindertenghettos" irgendwo abseits der Gemeinde untergebracht sind. Das ist immer noch die Normalität, daher fällt es vielen auch gar nicht erst auf, weil sie es auch nicht andres kennen (ich auch nicht, leider.)
Umgekehrt waren diese Verbrechen damals nur deshalb möglich, weil Heil- und Pflegeanstalten wie auch Pflegeeinrichtungen weit entfernt der Gesellschaft auf Wiesen gebaut wurden. Sicherlich mit guter Absicht (ruhige Umgebung, Platz, frische Luft, die Möglichkeit, sich handwerklich und in der Landwirtschaft zu betätigen), aber genau dieser räumliche Ausschluss aus der Gesellschaft hat die Morde, die ja "Geheime Reichssache" waren, überhaupt erst möglich gemacht.
Aber um mit etwas Positivem zu schließen: Ich bin sehr gespannt auf die Simultanübersetzung in Leichter Sprache. Es wird Kopfhörer geben, die Dolmetscherin ist vor Ort. Es wäre doch wunderbar, wenn es solche Angebote regelmäßig gäbe. Wir alle würden davon profitieren: Menschen, die noch nicht so gut Deutsch können, jüngere Menschen, ältere Menschen, diejenigen, die zu viel arbeiten "Ich bin heute müde und geschafft, war 12 Stunden in der Arbeit, ich höre mir die Diskussion lieber in Leichter Sprache an, das kann ich gerade noch aufnehmen." Und es gibt halt leider auch Menschen, die sich schwer tun, klar und deutlich zu reden, auch unter Wissenschaftlern kommt diese Behinderung ja häufig vor, Politiker haben ja die Behinderung, gerne um den heißen Brei herumzureden.
Wie schön wäre eine Welt, wenn wir uns da ganz nach individuellem Bedarf eine Übersetzung in Leichter Sprache holen könnten ...
Viele Grüße
Anna