Trauerphasen in dem Sinne hatte ich auch nicht, wohl aber "Abschnittstrauer". Also, immer wenn ein neuer Abschnitt kam, war ich an manchen Tagen oder auch Wochen tieftraurig und mir wurde sehr bewusst, dass mein Kind anders als andere Kinder ist. Das wurde mir an solchen Tagen glasklar vor Augen geführt.
Solche Abschnitte waren der Kindergarteneintritt, die Einschulung, die Volljährigkeit, der allerletzte Schultag und die Abschlussfeier, der Eintritt in die Werkstatt, oder auch so Tage, an denen Freunde z.B. verkünden, dass ihre Kinder geheiratet haben usw.
Heute ist diese Traurigkeit nicht mehr so heftig wie früher, aber sie besucht mich halt doch mal noch hin und wieder. Ist aber o.k. Ich kann damit gut umgehen und lasse diese Trauer auch zu.
Mit der Diagnose Autismus hatte ich absolut keine Probleme. Die Diagnose war eher eine Erleichterung und Bestätigung für etwas, was ich schon längst wusste.
Die geistige Behinderung war schon eher ein Problem für mich.
Ich muss dazuschreiben, dass ich immer damit gerechnet habe, dass unser Sohn geistig behindert sein könnte und sogar die Ärzte darauf ansprach. Ich wollte Gewissheit und mich damit abfinden können, aber kein Arzt nahm mich ernst und so habe ich diesen Gedanken immer wieder zur Seite gelegt und gehofft, dass mein Sohn noch aufholt.
Die Zeit der Schulsuche war daher sehr schlimm, weil zu diesem Zeitpunkt kein Hoffen mehr möglich war. Die Spreu wurde vom Weizen getrennt. So habe ich das empfunden.
Eigentlich war nicht die geistige Behinderung das eigentliche Problem. Nein, das Problem war, dass ich mich einfach vom Rest der Gesellschaft abgehängt fühlte......nicht mehr dazugehörig und ganz weit unten. Das war schlimm.
Es hat einige Zeit gedauert, bis ich meinen Frieden gefunden habe. Als mein Sohn dann auf der GB-Schule war, fühlte ich mich auch nicht mehr so alleine und hatte einen Austausch. Ich gehörte wieder dazu, nur die Gruppe war halt eine andere.
Die Diagnose Epilepsie schockte mich ebenfalls nicht. Ich wusste damals noch nicht, was es für schreckliche Epilepsieformen und Verläufe geben kann. Ich dachte damals "Medikamente geben - und gut ist". Wir hatten tatsächlich das Glück. Es handelt sich um eine recht milde Form, die medikamentös gut einstellbar ist, trotzdem habe ich mich vor den Anfällen gefürchtet und fürchte mich immer noch davor. Mittlerweile weiß ich ja, wie fies und hinterhältig Epilepsien sein und die Lebensqualität einschränken können.
Ich wäre der glücklichste Mensch, wenn mein Sohn nach über zwei Jahrzehnten die Medikamente endlich absetzen könnte und er als geheilt gilt.
Im Prinzip haben mich also die Diagnosen oder die Behinderung nie geschockt, aber die begleitenden Probleme und Sorgen waren oftmals belastend.
Bei allen Diagnosen wusste ich (zum Glück?) anfänglich ja gar nicht, dass wir mit solchen Problemen und Sorgen konfrontiert werden könnten.
Am schlimmsten finde ich es übrigens, wenn mein Sohn leidet. Ist er glücklich und zufrieden, spielt die Behinderung absolut keine Rolle.