Empathie - eine ziemlich komplexe Sache

  • Guten Morgen Ihr Lieben,


    ich möchte mal einen Austausch aufmachen, der ein wenig komplexer werden könnte, weil es eigentlich ein wissenschaftliches Thema ist.


    Ich habe mich selber noch nicht eingelesen, bin aber heute wieder einmal auf ein "Mosaiksteinchen" gestoßen, dass einen interessanten Aspekt beiträgt. Es geht darum, dass Empathie ein menschlicher Mechanismus ist, der eben nicht rein positiv zu beurteilen ist, sondern auch problematische Seiten hat. Sehr spannend:
    http://www.sueddeutsche.de/leb…ge-1.3362387?reduced=true
    http://www.deutschlandradiokul…ml?dram:article_id=378085
    Ähnlicher Ansatz:
    http://www.zeit.de/2015/49/psy…rror-mitgefuehl-interview
    Der Wissenschaftler Fritz Breithaupt hat "die dunkle Seite der Empathie" erforscht, beleuchtet spannend, wie z.b. die spontane Empathie für den Looser, für denjenigen, den die anderen nicht ernst nehmen oder belächeln, jemandem wie Trump hilft. Er stellt zb auch die These auf, dass die rasch aufflammende (und rasch wieder verlöschende) Willkommenskultur des Jahres 2016 eine Empathieform ist, mit der sich mehr der Helfer narzisstisch feiert, als dass es sachlich und konkret um das Schaffen einer besseren Gesellschaft geht.



    Autisten wird ja im Klischee nach wie vor gerne vorgeworfen, sie hätten keine Empathie. Autisten und alle, die die Augen aufmachen, wissen, dass das nicht stimmt.


    Relativ neu ist die Forschung um den Wiener Neurowissenschaftler Claus Lamm, die nachweist, dass zb bei Autismus häufig ein Übermaß an Empathie, an "Mitschwingen" - etwas, das auf meinen Hans definitiv zutrifft, und eine Menge erklärt, was mir schon vorher aufgefallen war, aber gerne belächelt worden war.
    https://medienportal.univie.ac…oennten-trugschluss-sein/



    Empathie ist also jedenfalls etwas, was verschiedene Teilbereiche hat, was eine starke Antriebskraft hat, was ziemlich komplex ist.


    Ich werde hier immer mal wieder was nachtragen. Und ich freue mich auf euren Input.

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

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  • Bei uns ist das auch so. Der kleine Prinz ist irrsinnig feinfühlig und harmoniebedürftig. Wenn er bereits viel Energie für andere Dinge aufgebraucht hat, dann scheint er sich selbst auch nicht mehr so gut abgrenzen zu können und bezieht jegliche negative Gefühlsregung auf sich selbst. Ich muss mal beobachten, ob es bei Positivem dann auch so ist.

  • Jau , recht interessant , der Herr Breithaupt .
    https://www.freitag.de/autoren…n/erkenne-den-unterschied
    Er hat sich vor dem aktuellen Buch auch schon mit Empathie beschäftigt.


    Zitat :
    Eine indirekte Antwort auf diese Frage gibt der Autor in seinem Schlusskapitel, wenn er die Ambivalenz seiner Empathie-Theorie, nämlich das Mitfühlen mit dem einen auf Kosten des Anderen, zusammenfasst: „Es wäre falsch, zur Verbesserung der Menschen allein auf Empathie zu setzen. Empathie wohnt die Tendenz der Parteilichkeit inne. Insofern kann Empathie nicht die zentrale Basis von Politik und Recht sein.“


    So wie ich es verstehe schlägt er in der "dunklen Seite" den Bogen zum Sadismus , das ist jetzt nicht ganz neu , ich würde mal denken, das er schwerpunktmäßig psychoanalytische Zusammenhänge herstellt.
    Ich mag es auf jedem Fall , das er viele Dinge beleuchtet und fleißig konstruiert :)

  • Zum Thema gibt es eine sehr schöne Scobel Sendung :


    http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=30161


    Die Erkenntnis , das Empathie nicht ausdrücklich positiv ist, sondern gleichermaßen auch Sadismus , Stress und Abwehr erzeugen kann , wird hier aus der Hirnforschung thematisiert . Interessant auch , wenn gleich zu kurz , die Kritik , das der Begriff Empathie ökonomisiert werden könnte und wirkliches Empathie, bzw Sozialtraining grundsätzlich dem Leistungsgedanken widerspricht .


    In einer anderen Form hat in den 80igern z.b. Horst Eberhard Richter Zusammenhänge dahingehend beschrieben, das unsere Leistungsgesellschaft massive Verlustängste befördert , die Menschen daran hindert ,tatsächlich mitfühlend zu handeln, weil die eigenen Ängste dem entgegenstehen.
    Um , so Richter, wirklich mitfühlend im sozialen Sinne sein zu können, müsste man sich erst mal mit den eigenen Ängsten beschäftigen und diese nicht verleugnen.


    dazu :
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41279442.html

  • Eine Sendung zur Empathie als Grundlage der Intuition, mit interessanten Aspekten, vor allem in der zweiten Hälfte, finde ich:
    https://www.br.de/mediathek/vi…4894ee0012636ca2?t=28m23s
    Nicht, dass ich das jetzt schon durchdacht hätte, aber Stimmigkeit zwischen „Gefühltem“ und Analytischem/Gedachten anstatt Gespaltenheit, in anderen Worten dann „im Einklang sein“, und derlei was da noch alles gesprochen wird - wenn man das nun verbindet damit, dass autistische Kinder ja häufig wegen unpassenden Schulen/Umwelt und infolge Dauerstress, Mobbing, Überforderung, ... mehr „Spaltung“ als Verbundenheit erleben ... ist vielleicht auch ein wichtiger Aspekt.


    interessant finde ich auch, dass hier Empathie wieder nur rein positiv dargestellt wird. Man kann einfach immer nur einen Scheinwerfer anmachen, wenn man klare Schatten haben will ;)

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  • Ich habe keine Zeit, mir die verlinkten Videos oder Texte anzusehen.
    Was mir nur aus den Kommentaren auffällt, dass eine Grundvoraussetzung noch nicht genannt wurde, nämlich die Wahrnehmung.
    Autisten können durchaus emphatisch sein. Aber eine Situation muss erstmal überhaupt wahrgenommen werden.
    Früher lief unser Spatz einfach durch Menschen „hindurch“, er hat gar nicht mitbekommen, wenn ihm jemand entgegen kam. Dies hat sich heute gebessert. Die Wahrnehmung der Umwelt ist besser geworden.
    Ihm können nun auch hinterher Dinge leid tun, auch wenn er sie in der fraglichen Situation noch nicht einschätzen kann.

  • Trixi

    Hat das Label Autismus hinzugefügt.