Schwerbehindertenausweis bei Autismus

  • Grundsätzliche Info zum Schwerbehindertenausweis (SBA) für Autisten:


    1. Warum einen SBA beantragen?
    Der SBA ist kein "Stempel", wie manche befürchten, denn er muss nirgends vorgezeigt oder angegeben werden, kann in der Schublade verschwinden und nur genutzt werden, wo man es selber für richtig hält. Sollte man den SBA später nicht mehr wollen oder brauchen, so gibt man ihn zurück bzw lässt ihn auslaufen - und er taucht nirgends mehr auf.
    es gibt steuerliche Freibeträge u.a., mit dem Merkzeichen H sogar einen recht hohen. Ebenfalls am H hängt die freie Fahrt mit der Bahn. Das B berechtigt zur freien Mitnahme einer Begleitperson beim Zugfahren und öffentlichem Nahverkehr in Deutschland. Auch in vielen kommunalen Einrichtungen ist der Eintritt für die Begleitperson frei. Am G hängt ein steuerlicher Freibetrag für gefahrene Kilometer.


    2. Wie einen SBA beantragen?
    Zum [b]Grad der Behinderung (erst ab GdB 50 gibt's einen SBA, ab 80 gibt es zB den Schlüssel für Behindertentoiletten, bestimmte steuerliche Nachteilsausgleiche, ...): http://autismus-kultur.de/auti…m-aenderung-1-1-2011.html
    Das muss vom Antragsteller individuell begründet und belegt werden. Der Grad der Behinderung (GdB) misst sich bei Autismus am Ausmaß der "sozialen Anpassungsschwierigkeiten".


    Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze sind unten verlinkt.
    Daraus, zum GdB bei Tiefgreifenden Entwicklungsstörungen:


    Komorbiditäten und/oder weitere Behinderungen werden GdB-mäßig dazugerechnet (aber nicht zwangsläufig einfach addiert).


    An Merkzeichen kommen bei Autisten in Frage: G, B, und H
    Auch das muss vom Antragsteller individuell nachgewiesen werden!
    > das Merkzeichen G:
    G - eingeschränkte Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr
    ... das sind behinderungsbedingte Einschränkungen, die es massiv erschweren mit dem Kind alltägliche Wegstrecken zurückzulegen. Die müssen nicht motorischer Natur sein, mein Hans ist frühkindlicher Autist, rennt jedem davon und geht laaange Wegstrecken - das G ht er trotzdem, weil man mit ihm im Alltag (wo's nicht um seine Ziele geht) nicht vernünftig vorwärts kommt, er hat völlig andere Gewichtungen, seinen eigenen Fokus, hängt ständig fest, ...
    (siehe Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil D 1)
    > das Merkzeichen H folgt
    "Hilflosigkeit
    (siehe Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A 4)
    > das Merkzeichen B folgt
    berechtigt zur Mitnahme einer Begleitperson
    (siehe Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil D 2)


    zuständige Behörde ist das Versorgungsamt (in Bayern: Zentrum BayernFamilie und Soziales), auf deren HP Ihr den Antrag runterladen könnt.
    Das hier ist die Entscheidungsgrundlage, an die sich das Amt zu halten hat:
    http://www.bmas.de/SharedDocs/…df?__blob=publicationFile
    (Inhaltsverzeichnis auf Seite 15)


    (Post noch in Arbeit, weitere Info folgt, gerne auch durch andere!)


    Im Anschluss könnt Ihr gerne Eure Fragen und Diskussionen und Erfahrungen posten :)

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

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  • Mein Sohn hat B, G, H und Grad der Behinderung 80.
    Leider mussten wir erst Widerspruch durch einen Rechtsanwalt einlegen, um diese Merkzeichen und 80 zu erhalten.


    Bitte unbedingt Widerspruch einlegen, wenn ihr mit der Entscheidung unzufrieden seid!
    Oft werden die Merkzeichen nicht vergeben, oder der Grad der Behinderung wird zu niedrig angesetzt.

  • Weiß zufällig jemand, wie das in Österreich ist?


    Wie alt waren eure Kinder, als ihr den SBA beantragt habt? Steuerliche Vorteile sind natürlich ein extremer Anreiz.


    Mein Sohn hat z. B. GdB 90% bekommen, und der Sachverständige (Amtsarzt) meinte auf meine Nachfrage, weil ich das viel zu hoch finde, dass es neuerdings bei Autismus nur noch 90% oder 100% gibt, und er den unteren Rahmensatz für meinen Sohn nimmt, weil er kommunizieren kann.

  • Hallo Michie,


    habe grade einen Blick in die Einschätzungsverordnung (das österreichischen Pendant zu den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen) geworfen.
    http://www.ris.bka.gv.at/Dokum…COO_2026_100_2_612316.pdf


    das ist ein wenig seltsam, denn Autismus wird nicht erwähnt, wohl aber AD(H)S, Borderline, uva ...
    Aus meiner Sicht passt am besten 03.02., umschriebene Entwicklungsstörung Seite 19


    Wenn man das so liest, bleibt dem Amtsarzt ja fast nur die Einteilung eines auffälligen Kleinkindes mit ASS-Diagnose in 03.02.03, Entwicklungsstörung schweren Grades, und dann kommt man zum GdB 90-100.
    das passt natürlich nicht, weil somit ja bei Autismus der GdB nach medizinischer Diagnose vergeben würde, anstatt nach tatsächlicher sozialer Teilhabebeeinträchtigung (siehe oben den Link zu Autismus-Kultur). 03.02.02, Entwicklungsstörung mittleren Grades würde dann wohl bei einem Aspergerkind bzw einem autistischen Kind, das Regelschulniveau hat, angenommen.


    bisschen unglücklich geraten, die Einteilung und Formulierung in der Einschätzungsverordnung. Aber vielleicht ist dafür ja die Umsetzung besser, bei uns in D heißt es nämlich gerne mal, das Versorgungsamt scheint den GdB bei ASS auszuwürfeln ...

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  • Ich habe ein Problem. Ich bekam post und die wollen meinen sohn wen er 18 wird von 80 auf 50 runterstuffen und die zeichen g und b wegnehmen. Troz diagnose autismus. Nur weil in einem Brief steht das er selbstständig die Schule befährt. Es heißt das er ja im täglichen Leben auch alleine klarkommt. Troz das ich den die 2 Briefe von der Schule geschickt habe wo er wegen aggression nicht teilnehmen darf. Was mache ich jetzt? Widerspruch eingelegt.

  • Hallo Taxicat,


    das wird scheinbar gerne mal versucht, Modell "Wunderheilung mit 18" *irony* ...


    Widerspruch ist schonmal gut.
    Begründen darfst Du nicht pauschal mit Autismus, sondern konkret für den GdS mit dem Grad der "sozialen Anpassungsschwierigkeiten" (lass am besten die Schule was schreiben - Aggression heißt Fremdgefährdung? Overload?). Das H bleibt? Das G und das B musst Du auch konkret begründen und mit Beispielen belegen.
    Dazu nachlesen zu G und B in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen: Seite 143, 144:
    http://www.bmas.de/SharedDocs/…df?__blob=publicationFile
    Zu den sozialen Anpassungsschwierigkeiten siehe Seite 41, 42.


    Man kann auch zb den VDK ins Boot holen, oder Deinen Regionalverband Autismus. Die kennen sich aus und helfen (falls Du Mitglied bist/wirst).


    viel Erfolg

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  • Hallo; mein Sohn ist 19 und Autist der Schwerbehindertenausweis ist abgelaufen und musste neu beantragt werden. Er hatte 80% und G; H. Jetzt soll er nur noch 60% ohne Buchstaben bekommen. Wer kann da helfen. Ich möchte nicht unbedingt einen RA einschalten. Reicht ein Brief von Psychologen?

  • Hallo,


    Mit 18 ändert sich etwas in den Richtlinien, deshalb.
    Der tägliche Hilfebedarf muss bei Erwachsenen mindestens 2 Stunden betragen. Bei Kindern wird anders bewertet. (Kannst Du nachlesen in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen).
    Da nützt das Versorgungsamt manchmal die „gute Gelegenheit“ ... Oft zu Unrecht. Wenn der Hilfebedarf weiter da ist, dann muss das MZ bleiben. Siehe dazu Urteil des Sozialgerichts Aachen (Aktenzeichen S 12 SB 642/16 vom 19.09.2017): Wenn weiterhin die gesundheitlichen Voraussetzungen vorliegen ist das Merkzeichen H weiter zu gewähren.


    Psychologe hat weniger Gewicht, Facharzt wäre besser. Und halt gut und sauber begründen, dazu auch die entsprechenden Stellen in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen genau lesen. ;)

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  • Da nützt das Versorgungsamt manchmal die „gute Gelegenheit“ ... Oft zu Unrecht. Wenn der Hilfebedarf weiter da ist, dann muss das MZ bleiben. Siehe dazu Urteil des Sozialgerichts Aachen (Aktenzeichen S 12 SB 642/16 vom 19.09.2017): Wenn weiterhin die gesundheitlichen Voraussetzungen vorliegen ist das Merkzeichen H weiter zu gewähren.

    Sozialgerichts Aachen

    Aktenzeichen S 12 SB 642/16 vom 19.09.2017

    https://sozialgerichtsbarkeit.….php?modul=esgb&id=195541



    11.11.2019
    Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil vom 28. März 2019, L 10 SB 111/17

    https://www.anwalt.de/rechtsti…sEmAbsxYie6s9B-KSYW5SKlug


    http://www.rechtsprechung.nied…619&st=null&showdoccase=1


    Viele Grüße
    Monika