Zusammen oder allein?

  • Ich hoffe, der Titel passt so. Mir geht das schon seit einiger Zeit im Kopf herum und endlich finde ich Zeit, hier darüber zu schreiben.


    Der kleine Prinz (4) und die kleine Fee (2) sind ein sehr harmonisches Geschwisterpärchen. Vom Charakter her sind die beiden grundverschieden. Die kleine Fee ist temperamentvoll und fordert sehr viel Aufmerksamkeit, der kleine Prinz überlässt ihr oft den Raum, wobei ich sehr darauf achte, ihn bloß nicht zu "übersehen". Sie: eine Kommandomaus mit ziemlich viel Selbstbewusstsein. Er: ein Ruhepol und verschmuster Träumer. Am Vormittag sind sie entweder im Kindergarten oder bei der Omi/dem Opa, damit ich arbeiten kann. Am Nachmittag sind wir immer zusammen, entweder bei uns im Garten (mit oder ohne Besuch), oder wir fahren mit dem Rad zum Spielplatz oder spazieren, oder jemanden besuchen (was eher selten ist). Therapien machen wir derzeit keine, da wollte ich dem kleinen Prinzen einmal eine Pause gönnen.


    Nun haben wir einen Pool (so ein selbstaufstellendes Luftringteil) im Garten, und beide Kinder lieben es. Der kleine Prinz ist eine richtige Wasserratte, er taucht und so weiter, und ich kann mir vorstellen, dass er bald schwimmt, wenn es so weiter geht. Allerdings zieht er sich oft einfach ins Haus zurück. Ich kann das dann ganz schlecht einordnen - tut er das, weil es ihm zu heiß ist? Oder ist ihm seine Schwester bzw. teilweise auch die anderen Kinder zu wild? Wenn er im Wasser ist, spritzt und hüpft und planscht er auch mit den anderen Kindern gemeinsam, da hat er überhaupt kein Problem damit und auch sehr viel Spaß. Da die kleine Fee noch recht klein ist, muss ich im Wasser aber in ihrer Nähe bleiben, das ist mir sonst zu gefährlich. Es sieht dann meistens so aus, dass der kleine Prinz ganz alleine auf der Couch liegt und Musik hört oder mit dem iPad spielt, während wir anderen draußen im Wasser lachen und uns vergnügen.


    Während ich diese Zeilen hier verfasse, beantwortet sich mir eigentlich auch meine Frage schon selbst. Es wird schon so sein, dass es für ihn in diesen Situationen einfach wichtig ist, alleine zu sein und seine Ruhe zu haben. Aber wie kann ich dieses Gefühl abstellen, ich würde ihn dann alleine lassen, vernachlässigen? Muss ich da noch so vieles lernen, oder geht es euch auch so? Er kommt dann häufig erst am späten Nachmittag ins Wasser, und dann passt es total für ihn, dann will er auch mit mir im Pool spielen und bittet mich so lieb darum (Bitte Mami, komm ins Wasser). Und genau dann müsste ich aber häufig das Abendessen zubereiten, was ich eh nie übers Herz bringe, weil ich ja auch mit ihm Zeit verbringen möchte und es total schön finde, mit ihm und der kleinen Fee gemeinsam im Wasser zu tollen. Ich werde wohl besser beginnen, das Abendessen schon nach dem Mittagessen zuzubereiten, damit ich es dann nur noch auftischen muss ...


    Wie ist das bei euren Kindern? Brauchen sie auch sehr ausgedehnte Allein-Zeiten? Mir kommt da manchmal so ein Gedanke, dass er sich in diesen Situationen schon auch Gesellschaft wünschen könnte, es aber nicht ausdrücken kann? Und ich könnte mich auch gar nicht zu ihm setzen, weil es für die Kleine im Pool ja gefährlich ist. Und dann fühle ich mich ihm gegenüber ungerecht.


    Kennt ihr das?


    Danke für eure Gedanken!

  • Hallo Michie,


    ich habe über dergleichen auch schon nachgedacht das eine oder andere Mal. Und bin zu einem klaren Schluss gekommen: es ist für Hans in Ordnung so, er braucht die Alleinezeit.
    Wenn noch jemand neben ihm sitzt, ist es nicht das gleiche wie alleine sein.


    jahrelang sind wir da sehr auf ihn eingegangen, und haben gsd auch genug Platz im Haus.
    nun ist es so, dass er über diese Entscheidungsfreiheit mit den Jahren gelernt hat, sich genau das einzufordern, was er sich wünscht.
    Und so setze ich mich zb auf seine Aufforderung hin oft neben ihm auf's Sofa und lese, während er seine Videos guckt. Und ich weiß, dass er es genießt, dass wir so nebeneinander her wurschteln. (Das ist aber ohnehin etwas, das ich selber gerne tue - mit meinen Lieben in den gleichen Räumlichkeiten, oder im Garten, und jeder macht seins, werkelt für sich, Sohn hört Musik, Tochter bastelt, Mann werkelt ...


    sag ihn immer mal wieder, dass er auch sagen kann "ich möchte Dich gerne bei mir haben", oder so. Und leb ihm das auch vor (Modeling). Und hab kein schlechtes Gewissen.


    womit er vielleicht schon hadert, Hans tut es jedenfalls: Dass die anderen soviel Miteinander genießen können, keine Auszeiten brauchen, und er nicht. Aber das ist eben so, das ist die persönliche Ausprägung des Autismus, die Art wie der Reizfilter funktioniert. Mit den Jahren kann sich da viel ändern, weil über besseres Verstehen der Umwelt auch der Reizfilter besser geschont wird, nicht so schnell "vollläuft".



    ich finde es übrigens absolut spitze, dass Dein Sohn das in dem Alter schon so toll merkt, wann es ihm zuviel wird, und dann auch das richtige tut. Das ist ziemlich schwierig zu spüren, und manche schaffen es nie.
    Und es ist etwas sehr zentrales, denn es ist ein entscheidender Punkt beim "Hinaustrauen" in die Welt. Wenn ich mich selber einschätzen kann, dann kann ich ohne Risiko und angstfrei viel mehr ausprobieren, mehr Erfahrungen machen. Und entsprechend viel mehr lernen. Und auch viel mehr Austausch und Miteinander haben.


    Der kleine Prinz ist auf einem sehr guten Weg.
    Und das hat viel mit dem aufmerksamen und liebevollen Rahmen zu tun, den Ihr ihm da maßschneidert


    :nummer1

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

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  • Hallo. Ich brauche das auch sehr stark, diese Auszeiten, und ich finde es super, dass Ihr das bei euren Kindern wahrnehmt und akzeptiert. Und ich finde es gut, wenn man das auch - ich will nicht sagen "einfordern", aber sich "nehmen" kann. Es machen und irgendwann ist auch wieder gut, und man kann wieder unter Leute.
    Also mir z.B. hilft es gar nicht, wenn jemand meint, er müsse - sobald ich in Auszeit gehe - hinter mir her kommen und mich bequasseln "jawasistdennnunjetztkommdochmal".
    In meiner Familie gilt Rückzug und wenig sprechen (können) als Anzeichen von Bösartigkeit und "den Anderen manipulieren wollen". Daher kann man bei uns auch bis auf die Haustüre keine Tür abschließen, da meine Mutter jederzeit ihr Hausrecht gebrauchen möchte und die Zimmer betreten will. Schon Tür zumachen ist irgendwie komisch (und ich kann z.B. nicht in der Küche sein und was arbeiten, oder was essen, mit dem Rücken zu einer geöffneten Tür, da bekomme ich Panik, dass jemand von hintern an mich herantritt und Geräusche im Flur, die ich vielleicht als Aufforderung an mich verstehen muss, irritieren mich dann). Meine Mutter sagt, man müsse immer da sein für Andere und reden. Rückzug ist für sie Egoismus und Ausleben von Lustlosigkeit. Sie sagt, sie habe früh gefühlt, dass man immer für andere da sein muss und sie habe nie Zeit für sich gehabt oder sich Zeit für sich nehmen dürfen. Ich finde das sehr sehr schwer und fühle mich manchmal in einem öffentlichen Ort mehr in Ruhe als zuhause, wo ich immer präsent und ansprechbar sein soll oder die Gefahr droht, dass ich zu bösartig werde oder zu egoistisch. Ich schäme mich so, dass ich das brauche.
    Wenn übrigens mehr Leute bei uns im Haus sind, dann wird es viel mehr akzeptiert, wenn ich plötzlich eine Auszeit brauche. Dann stört das auch nicht so sehr. Schwierig (mal wieder) :(
    Lynkas grüßt.

  • Hallo!


    Ich kenne das sehr gut. Manchmal muss / möchte man alleine sein. Manchmal reicht es aber auch aus, neben jemand sein eigenes Ding zu machen.
    Ich z.B. fühle mich so ganz alleine nicht sehr wohl. Aber wenn mein Mann Zuhause ist, dann ist das für mich beruhigend. Ich mach dann trotzdem auch viel und gerne was alleine. Es reicht mir zu wissen, wo er ist. Ich will dann aber auch informiert werden, wenn er z.B. kurz in den Garten geht oder so. Wäre er plötzlich weg, würde das Angst auslösen und ich würde nicht verstehen, warum es so ist.



    Lynkas, ich kann verstehen, dass für dich die Situation Zuhause echt unangenehm ist. Was du über deine Mutter schreibst sagt eigentlich recht viel aus. Für mich klingt es so, als hätte sie nie gelernt etwas für sich selber zu tun, mal alleine zu sein und sich die Auszeit zu nehmen die sie vielleicht braucht.
    Bösartigkeit kann ich in einem Rückzug / Auszeit gar nicht sehen. Es wäre erst dann vielleicht böse, wenn du dich zurück ziehen würdest, weil du jemanden damit bestrafen oder ähnliches willst. Das tun meiner Meinung nach aber nur die wenigsten Menschen.
    Egoistisch könnte man es schon nennen. ABER jeder Mensch sollte auch ein bisschen egoistisch sein. So lange es nicht ein Verhalten ist, das anderen bewusst schadet, ist Egoismus auch gesund. Immer nur an die Anderen und nie an sich selber denken schadet einem Menschen doch nur.


    Ehrlich gesagt entsteht für mich dabei auch der Eindruck, dass deine Mutter vielleicht auch etwas neidisch ist, weil du eigentlich in der Lage bist dir deine Auszeiten zu nehmen, die sie sich selber nicht erlauben kann / mag. Wenn das so ist, ist es aber IHR Problem und sicher nicht deines.


    Ich hatte schon ähnliche Situationen wo ich ein bisschen angegangen wurde weil ich mir etwas erlaube, das andere sich nicht erlauben wollen / können. Letztendlich ist es aber nicht mein Problem, wenn andere Menschen sich Dinge eben nicht gönnen wollen / können.
    Tut mir leid, kann das gerade nicht so gut erklären was ich meine.




    LG Trixi

  • Hi Lynkas!


    Mir tut das richtig leid, dass bei dir zu Hause offenbar nicht so wirklich bekannt ist, wie deine Reizverarbeitung funktioniert bzw. warum du häufiger deine Ruhe brauchst.


    Bei diesem Beispiel:

    In meiner Familie gilt Rückzug und wenig sprechen (können) als Anzeichen von Bösartigkeit und "den Anderen manipulieren wollen"


    Es wäre erst dann vielleicht böse, wenn du dich zurück ziehen würdest, weil du jemanden damit bestrafen oder ähnliches willst. Das tun meiner Meinung nach aber nur die wenigsten Menschen.


    musste ich daran denken, dass sie vielleicht annimmt, dass du deswegen irgendwo anders hingehst, weil du auf jemanden sauer bist und dann erwartest, dass dir dieser jemand nachläuft und herausfindet, was er falsch gemacht hat? Das fände ich persönlich zwar ziemlich weit hergeholt, würde es aber trotzdem in meiner Familie auch dem oder wohl besser gesagt DER einen oder anderen zutrauen, das so zu interpretieren. Meiner Meinung nach sollte zwar gerade in der Herkunftsfamilie von Seiten der Eltern angestrebt werden, das Kind besser zu verstehen und nicht umgekehrt, aber vielleicht würde es ja helfen, wenn ihr mal außerhalb so einer Situation darüber sprecht? Oder gab es ohnehin schon Versuche, ihnen zu sagen, dass du deine Auszeiten aus anderen Gründen benötigst und dass du damit sicher nicht ausdrücken möchtest, dass andere etwas getan hätten, das dich sauer gemacht hat?


    Das hier:

    Also mir z.B. hilft es gar nicht, wenn jemand meint, er müsse - sobald ich in Auszeit gehe - hinter mir her kommen und mich bequasseln "jawasistdennnunjetztkommdochmal".


    ist für mich total hilfreich, danke!!! Das bestätigt mich nur in meiner Annahme, dass der kleine Prinz wirklich in diesen Momenten einfach alleine sein möchte. Er kommt ja glücklicherweise dann auch immer wieder zu mir und bittet mich zu sich, wenn es für ihn wieder passt. Ich hatte nur immer wieder mal so eine eigenartige Angst, dass er vielleicht doch einsam ist und sich außen vor fühlt, wenn er sich so zurückzieht.


    Ganz liebe Grüße, Lynkas.

  • Guten Morgen,


    da ist die Dankbarkeit auf meiner Seite, denn wie das so ist mit dem Reizfilter, und dass der Rückzug ohne von außen gesetztes Limit oder Bedingungen oder Einschränkung angeboten werden muss, das habe ich aus der Vernetzung gelernt, im Internet von erwachsenen Autisten wie Dir, Lynkas. Ich glaube nicht, dass ich das sonst so klar verstanden hätte.
    in der Einrichtung zb haben sie ja mit vielen autistischen Kindern zu tun, tortzdem haben sie das nicht auf dem Schirm. Da darf sich dann mal ein Kind zum Musikhören dazusetzen :icon_rolleyes
    oder man gibt Hans noch einen Satz mit, der ihm eine Gedankenflut anknipst :icon_rolleyes ("Und wenn Du fertig bist, blablabla, kannst Dir ja schon mal überlegen blubbblubb ...")


    Lynkas, so klar wie Du das hier schreibst, kann man sich gar nicht vorstellen, dass Deine Mutter das nicht verstehen will. Hast Du es schriftlich auch schon versucht? Wenn sie es wirklich so gar nicht nachvollziehen will/kann, dann liegt das nicht an Dir, sondern an ihrer eigenen Biographie. Menschen fühlen sich ja manchmal von harmlosen Dingen/Ansinnen bedroht, weil es eben subjektiv bedrohend IST. Vielleicht ist dieses unsinnige Postulat, kein Recht aufs Alleinsein zu haben, ein so wichtiger Baustein in ihrem Lebenskonstrukt, dass sie nicht darauf verzichten kann, weil es sonst bröckelt oder ins wackeln kommt. Und dann gibt es da wahrscheinlich noch mehr solche. Beziehe das, was sie da sagt, wenn's geht, nicht auf Dich, und versuche aber trotzdem, Dein Recht aufPrivatsphäre durchzusetzen.
    Wenn hier ein Familienmitglied die Tür hinter sich zumacht, dann wird das akzeptiert. Das heißt für mich, ich lasse denjenigen in Ruhe, wenn ich etwas aus dem Raum brauche, klopfe ich an.

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
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  • Hallo,


    Hast Du es schriftlich auch schon versucht?


    Ja. Sie sagte, dass sie es nicht versteht warum und warum ich das so will. Sie sagte mal, dass ich ihren "Bewegungsradius" stark einschränken würde. Das bezog sich auf meine Bitte, die Küchentür zu schließen bzw. mir 10 Minuten Ruhe am Morgen zu erlauben oder mich nicht gleich mit Worten zu überschütten, wenn sie nur meinen Schlüssel in der Haustür hört. Damit meinte sie auch, dass sie keine schriftlichen Handlungsanweisungen von mir haben mag. Sie sind ihr zu kompliziert und zu "weltfremd", da ja normale Menschen nicht so sind wie ich und sinnvolle Forderungen haben und nicht wollen, was ich will.
    Weil es für mich so anstrengend ist mit dem Reden, ist es schwer. Sie sagt, sie verstehe nicht, was ich rede. Ich würde falsch reden und feindselig und zu kompliziert. Und zum Lesen hat sie "keine Zeit" sagt sie, weil sie so viel zu tun hat.
    Ich muss es einfach schaffen, keine Strafe mehr für sie zu sein und ein guter Mensch zu sein. Zu anderen Menschen kann ich ja keine engen Kontakte aufbauen bzw. außerhalb der Familie wird mich niemals jemand so lieben wie innerhalb der Familie. Und die Leute finden, dass meine Mutter der beste Mensch ist, den es gibt. Das wird mir oft gesagt. Es stimmt, weil sie sich nur für andere aufreibt. Sie liebt mich sehr. Ich schäme mich sehr :( .
    Lynkas grüßt.

  • Stopp Lynkas.
    Du tust dir selber keinen Gefallen wenn du das übernimmst was andere sagen.


    Ich verstehe deinen Konflikt wirklich gut.
    Meinst du man würde von dir z.B. verlangen zu laufen, wenn du dazu nicht in der Lage wärst?


    Du musst dich ganz bestimmt nicht dafür schämen das du bist wie du bist! Mag sein dass sich deine Mutter von dir eingeschränkt fühlt. Ist es aber richtig dass sie dich "einschränkt" um ihre Freiheit zu haben?
    Sobald 2 Menschen zusammen kommen, müssen beide gegenseitig Rücksicht nehmen etc. Es ist aber definitv nicht richtig, wenn sich nur eine Person an die andere anpasst.

  • Lynkas, du bist richtig, so wie du bist. Ich beneide dich, dass du deine Gedanken und Emotionen so klar formulieren kannst. Das würde ich auch gerne können.


    Schade, dass deine Mutter dich mit deinen Bedürfnissen nicht wahrnimmt. Sie ist vielleicht gefangen in sich selbst und schafft es nicht, aus ihren gewohnten, erlernten Strukturen und Sichtweisen herauszubrechen. Vielleicht benötigt sie Unterstützung, dich so anzunehmen, wie du bist, um zu erkennen, dass sie eine ganz einzigartige und wertvolle Tochter hat. Du bist jedenfalls nicht das Problem!

  • Hallo Lynkas,


    Trixi und Ella haben recht, niemand braucht sich zu schämen für seine Bedürfnisse und für sein Anderssein. "Wir sehen die Dinge nicht wie sie sind, sondern wie WIR sind" hat Anais Nin geschrieben, ich finde das sehr wichtig. Keiner sieht objektiv, und die Wahrnehmung Deiner Mutter ist geprägt durch ihre eigenen schmerzhaften Erfahrungen, und Deine Wahrnehmung ebenso durch Deine Erfahrungen. Du bist ganz sicher nicht boshaft, sondern Deine Mutter interpretiert das fälschlich. Der Spruch heißt folgerichtig auch: Man kann die eigene Perspektive ändern, und man kann damit dann auch die Dinge ändern.
    Und Du bist noch jung, das Leben nimmt viele Wendungen - viele Dinge in meinem Leben sind passiert, die ich nie für möglich gehalten hätte. Es ist also sehr wohl möglich, dass Du außerhalb Deiner Familie enge Kontakte knüpfst.


    Ganz wichtig - auch dafür - ist, sich selber zu mögen und anzunehmen. Tu das Du hast allen Grund dazu.
    Aus Deinen Posts spricht viel Geist und Witz, und Empathie.


    Aufbauende Grüße

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

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  • Lynkas,


    es macht mich betroffen, was Du schreibst und es macht mich nachdenklich!
    Ganz sicher ist es in Ordnung wie Du bist und es ist richtig, wenn Du Dir eine Auszeit nimmst!


    Ich ertappe mich aber selbst auch oft dabei, dass ich Juniors Bedürfnissen nicht gerecht werde, im Nachhinein tut es mir leid, wenn ich merke, dass er sich dadurch "falsch" fühlt.
    Auf der anderen Seite gibt es Dinge, die ich kaum zu ertragen in der Lage bin, die mir "fast weh tun", wenn ich dann durchsetze, was ich brauche, fühle ich mich falsch und schäme mich dafür. Es ist so unglaublich schwer!
    Was schon ein paar mal geschrieben wurde, die eigenen Kindheitserfahrungen, der eigene Anspruch an sich selbst, das macht auch so viel aus.


    Deiner Mama geht es vielleicht ähnlich, dass sie in solch einem Zwiespalt steckt? Sicher merkt sie, dass Du andere Bedürfnisse hast, als der Rest der Familie.
    Jedenfalls ist das nicht "Deine Baustelle" ! Du darfst kein schlechtes Gewissen haben!
    Ich verstehe Dich aber sehr gut, oft ging es mir mit meiner Mama ähnlich, ich hatte oft das Gefühl "nicht richtig" zu sein, weil sie so ganz anders war- ich war laut-sie konnte das nicht ertragen. Morgens konnte man sie lange nicht ansprechen-ich war mitteilungsbedürftig...


    Mit Junior muss ich da auch arg aufpassen, dass ich ihn nicht so zuquatsche, wie deine Mama es macht, sobald du zur Tür rein kommst.


    Ich wünsche euch beiden, dass deine Mama lernt, dass es nichts mit Bösartigkeit zu tun hat, wenn Du Ruhe brauchst.
    Wahrscheinlich ist das wenn Besuch da ist deshalb ok, weil alle anderen dann auf den Besuch fokussiert sind und es nicht so "auffällt". Geht mir mit Junior ähnlich und meinen Eltern ging es mit mir wohl auch so, da war es nämlich das Gleiche!


    Ich hoffe, ich hab das jetzt nicht so wirr geschrieben ;)


    Michie,


    Junior ist auch oft drin wenn ich draußen bin, oder zieht sich zurück und ich wurschtel vor mich hin. Dann habe ich auch oft ein schlechtes Gewissen, weil ich denke, ich müsste mir mehr Zeit nehmen, Dinge anbieten. Und hier ist es genauso, dass er immer dann ankommt, wenn ich gerade koche, oder so wie jetzt gerade, mitten im Schreiben bin.
    Jetzt gerade, hab ich gesagt, ich schreib noch fertig, dann komm ich und das mache ich auch.
    Früher war mir oft wichtig, dass ich meins fertig mache (putzen, waschen, whatever) da bin ich gerade am lernen, dass ich das mache, solange ER Ruhe und Auszeit braucht und dann für ihn da bin, wenn er es möchte. Immer und bei allem gelingt es mir nicht, aber es wird besser und Junior scheint ganz zufrieden damit.


    Alles nicht so einfach...


    Liebe Grüße @all :)


    _______________________________________________________
    Liebe Grüße von Phila


    Sohn *2008 HFA / ADHS
    Mama *1972 operierte Skoliose
    Sternchen im Herz 2008


    Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

    2 Mal editiert, zuletzt von Phila ()

  • Warum können die meisten Menschen es so schwer akzeptieren, dass es Menschen gibt, die mehr Rückzugsräume benötigen und mit einer Gruppe nicht besonders viel anfangen können? Es scheint, dass es für viele Menschen unvorstellbar ist, dass man das Alleinsein oder die "Einsamkeit" auch wunderbar genießen kann.


    Sicher gibt es Menschen, die gerne am Gruppenleben teilnehmen und Unterstützung dafür benötigen, aber ebenso gibt es Menschen, die dies aus unterschiedlichen Gründen nicht wollen oder aushalten können. Da wäre Akzeptanz sehr gut. Wir Eltern kommen ja meist schnell dahinter und lernen das Verhalten zu deuten, aber das Umfeld tut sich oft schwer mit diesem Verhalten, weil ein Leben ohne Gruppenleben für die meisten unvorstellbar ist.

  • Ich muss offen zugeben, dass ich vor der Diagnose des kleinen Prinzen auch nicht wusste, dass es das gibt. Seither versuche ich zwar, die Menschen in meinem Umfeld zu sensibilisieren, und habe immer im Hinterkopf, dass andere nicht wissen können, was ich mir in nächtelanger, monatelanger Recherche nach und nach angeeignet habe.

  • Ich denke, es hat auch damit zu tun, dass man am ehesten nachvollziehen kann, was man von sich selbst kennt. Zunächst gehen die meisten Leute wohl eher von sich selbst aus.


    Mein Sohn z.B. gehört ja auch zu denen, der Gruppen nicht unbedingt meidet. Es wird ihm nur schnell zu viel. Früher wollte er auch partout nicht nach Hause, da musste ich ihn oft gegen seinen Willen rausholen, wenn ich gemerkt habe, dass es zu viel ist.
    Schwierig fand ich dann auch immer die Anderen, die nicht verstehen wollten, warum ich ihn gegen seinen Willen heim bringen wollte. Sein "aufgedreht sein" wurde meist als "der hat doch Spaß" fehlinterpretiert.
    Langsam kommt das, dass er selber sagt, er möchte heim oder raus aus der Situation, aber nicht immer.


    Bei seinem Geburtstag z.B. hat er sich tierisch auf den Besuch gefreut und die Minuten gezählt. Nach einer Weile habe ich gemerkt, dass es ihm eigentlich viel zu viel ist. In ein anderes Zimmer gehen, war aber für ihn keine Option. Wären wir eingeladen gewesen, hätte ich ihn eher dazu bringen können, oder er hätte selbst darum gebeten, dass wir gehen.


    _______________________________________________________
    Liebe Grüße von Phila


    Sohn *2008 HFA / ADHS
    Mama *1972 operierte Skoliose
    Sternchen im Herz 2008


    Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

  • Trixi

    Hat das Label Autismus hinzugefügt.