80 Prozent der Arztpraxen sind nicht barrierefrei

  • Über 80 Prozent der Arztpraxen sind für Menschen mit Behinderung nicht zugänglich
    Die Unionsfraktion hat am gestrigen Mittwoch mit Vertretern von
    Ärzten, Krankenkassen und Betroffenen beraten, wie die medizinische
    Versorgung besser werden kann. Anlass des Treffens: Über 80 Prozent der
    Arztpraxen sind für Menschen mit Behinderungen nicht oder nur
    eingeschränkt zugänglich, wie Uwe Schummer, der Beauftragte für Menschen
    mit Behinderungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärte. Im
    Anschluss an das Fachgespräch forderte der Politiker:
    „Wir brauchen ein KfW-Förderprogramm“
    http://rollingplanet.net/ueber…ung-nicht-zugaenglich-rp/



  • Hallo!
    In jedem Fall wichtig. Viele denken nur an die „Rollstuhlrampe“. Ich denke da zwar auch immer drann, weil es meinen Vater betrifft, aber ich denke auch in Richtung „Gebärdensprachendolmetscher“ (im Artikel ja erwähnt), was eher in meine Richtung geht.
    Ich wünsche mir besonders ein barrierärmeres Gesundheitssystem für mich. Es wird niemals ein barrierefreies Gesundheitssystem für mich geben, das liegt in der „Natur“ meiner Behinderungen, aber vielleicht ein barriereärmeres?
    Leider ist es für mich sehr schwierig zu sagen, wie das Gesundheitssystem/die Arztpraxis/das Krankenhaus barriereärmer für mich werden könnte. Ich glaube, das geht nicht. Das macht mir auch Angst.
    In den letzten Tagen hat es z.B. Barrieren gegeben, die verunmöglicht haben, dass ich behandelt/beraten werden konnte.
    Weil ich zur Zeit wieder massive Probleme mit meinem Darm und leider auch immer mehr Probleme mit Magen und Speiseröhre habe, wollte ich letzte Woche schon einen schnellen Termin im MVZ haben.
    Ich konnte erst einen in der zweiten Junihälfte haben.
    Ich sagte der Krankenschwester an der Anmeldung, das ginge nicht.
    Sie sagte, man könne von Montag bis Donnerstag vor 9 Uhr kommen, wenn es einem zu schlecht ginge.
    Sie sagte das, als würde das jeder wissen (ich wusste das nicht).
    Ich brauchte natürlich eine Überweisung.
    Meine Hausärztin ist aber über 1 Stunde entfernt, und das packe ich in meinem momentanen Zustand nicht.
    Außerdem hat meine Hausärztin so wieso gesagt, sie sei „eigentlich überfordert mit der Komplexität meiner Probleme“.
    Ich musste also zu einem Arzt wegen der Überweisung, der mich nicht kennt aber nur 20 Minuten entfernt ist und der Facharzt für innere Medizin ist. Zu dem will ich dann auch ganz wechseln.
    Die Überweisung zu bekommen dauerte für mich 3 Tage.
    Ich musste erst mal fragen, wie ich so einen Arztwechsel bewerkstelligen muss, was die brauchen, ob die mich nehmen (Tag 1).
    Dann musste ich relevante Unterlagen hinbringen, damit die Leute informiert sind über mein komplexes Krankheitsbild (Tag 2).
    Dann hoffte ich, dass die Unterlagen gelesen waren und ich die Überweisung anfordern kann (Tag 3).
    Ich ging also hin und sollte nun aber der Arzthelferin erläutern, wer denn „veranlasst“ hätte, dass ich in dieses MVZ gehe - Rechtfertigungsdruck also, ich musste da was zurechtstottern, viele Leute um mich rum, ich kann zur Zeit nicht so lange stehen, Schmerzen hatte ich so wie so, Blickkontakt schwierig (die Arzthelferin hat ein sehr lebhaftes Gesicht). Ich hatte den Eindruck, dass die Arzthelferin mich trotz Stammeln verstanden hatte und dass ich eine Überweisung bekommen kann.
    Die Arzthelferin sagte: „Warten Sie, das muss dann noch unterschrieben werden.“ Verstanden hatte ich diesen Satz, aber ich wusste nicht: wo warten, wie lange warten, wer unterschreibt die Überweisung (der Arzt, zu dem ich letztendlich dann wechseln will oder seine Kollegin, die mit ihm die Gemeinschaftspraxis hat, aber die für mich nicht so geeignet sein wird?)
    Ich setzte mich zum Warten in den halboffenen Wartebereich. Aber: obwohl der Wartebereich kein Raum ist sondern eine Warteecke, konnten mich die Arzthelferinnen nicht sehen und ich konnte sie auch nicht sehen. Woher weiß ich, wann meine Überweisung fertig ist? Rufen die mich auf? Vielleicht denken die, ich bin weggegangen. Oder vielleicht weigert sich der Arzt, die Unterschrift zu geben.
    Im Wartebereich waren nicht so viele Stühle frei, und oft werde ich schief angesehen oder angesprochen, wenn ich - so jung - mich hinsetzen muss. Es war also wieder möglich, dass ich mich verbal rechtfertigen muss, was - gerade, wenn es mir schlecht geht - schwierig für mich sein kann.
    Ich musste schauen, ob jemand in den Wartebreich kommt, der auf jeden Fall sitzen muss, jemand Gehbehindertes oder altes oder schwangeres….dann würde ich dem oder derjenigen den Platz anbieten. Manche Menschen sind dann aber beleidigt, weil sie sich herabgewürdigt fühlen wenn ich meine, sie müssten sitzen oder sie schämen sich, wenn jemand ihnen den Platz anbietet.
    Ich saß nun also wartend im nicht gerade ruhigen Wartebereich. Ich hörte, dass dauernd Patienten Bescheinigungen/Verordnungen/Überweisungen ausgehändigt bekamen.
    Wie lange sollte ich warten, bis ich nachfragen musste? Würde ich angeschimpft werden, wenn ich - zu ungeduldig! - nachfragte? Was sollte ich sagen bei einer Nachfrage? Die Ärzte haben ja viel zu tun und ich bin eine zusätzliche, womöglich unerwünschte, neue Patientin.
    Was, wenn ich die Toilette brauche und während dessen wird meine Überweisung fertig und ich bin auf der Toilette?
    Das alles war sehr anstrengend. Ich wurde dann aufgerufen und bekam die Überweisung. Gut gelaufen, aber das ändert nichts an meinem „Leiden“ an den unsichtbaren Barrieren.
    Heute Morgen ging es mir nicht so super, aber ich bin die 25 Minuten bis zum Krankenhaus, wo das MVZ ist, gelaufen (Bus fährt nicht bei mir vorbei, fahrradfahren geht noch nicht wieder so gut, außerdem steht das Rad in der Garage und das Auto steht davor und ich kann das Rad nicht daran vorbei schieben und meine Mutter kann so früh nicht geweckt werden, um das Auto raus zu fahren).
    Ich muss im Krankenhaus immer an der Rezeption vorbei. Jedes mal besteht die Gefahr, dass ich angesprochen werde, wo ich hin will. Ich weiß aber ja, wo ich hin will. Also will ich nicht angesprochen werden und will die Rezeptionskraft auch nicht ansprechen.
    Auf dem Flur im MVZ saßen lauter Menschen, die wahrscheinlich Termine hatten. Oder Blutabnahme hatten. Oder Infusionstermine hatten. Ich hatte keinen Termin und wusste auch nicht, was ich sagen sollte. Wie ich etwas sagen sollte. Wie ich mich gut genug rechtfertigen könnte, um zur Ärztin vorgelassen zu werden. Ich wusste ja auch nicht, ob die Ärztin überhaupt da ist (Spiegelungen und OPs werden ja auch früh morgens gemacht, also hätte sie eventuell im OP sein können und vielleicht würden die Krankenschwestern mich anmeckern, weil ich so dreist bin und ohne Termin mit der Ärztin reden will - ich hätte ja auch sehr gerne einen Termin gewollt, aber ich konnte nun mal keinen bekommen vor Juni).
    Die Tür zum Anmeldebüro war dann verschlossen, obwohl mir gesagt worden war, ich könne zwischen 7 und 9 Uhr kommen (es war noch nicht mal 8 Uhr).
    Die anderen Patienten guckten mich an, als wäre ich doof, dass ich vor einer verschlossenen Tür stand.
    Ich setzte mich auf einen Stuhl im Flur.
    Jetzt hätte mich eine der Krankenschwestern ansprechen müssen, aber das tut selten jemand.
    Ich saß dann dort, bis ein Mann kam, der auch zum verschlossenen Büro ging. Er klopfte. Das z.B. kann ich nicht: durch verschlossene Türen gehen, wenn ich nicht sehe, was dahinter für eine Situation ist. Na jedenfalls war in dem Büro wirklich niemand, die Tür war abgeschlossen, wie ich beobachten konnte.
    Der Mann stellte sich dann vor der Tür auf.
    Es kam um etwa 8:30 dann die Arzthelferin, die mir mal gesagt hatte, ich sei „schwierig“ und solle mal in eine anderes MVZ gehen und es wäre kein Wunder, dass ich Probleme mit Ärzten hätte, so, wie ich sei.
    Der Mann ging zu ihr ins Büro. Ich stand auf und stellte mich vor die jetzt offene Bürotür. Ich hörte, dass der Mann einen Termin hatte. Ich hatte keinen. Ich merkte, dass ich nicht würde sprechen können, dass mir keine Rechtfertigung für mein terminloses Dasein einfiel.
    Ich schloss mich im Klo ein. Dauernd drückten Leute die Klinke am Klo runter. Deswegen fiel mir auch im Klo nicht ein, was ich machen sollte. Ich wusste ja auch nicht, was jetzt gerade auf dem Flur vor sich ging oder ob die Arzthelferin die Bürotüre wieder abgeschlossen hatte. Es war irgendwann fast neun Uhr geworden.
    Ich ging dann weg, denn ich musste noch genug Energie aufsparen, um die 25 Minuten nachhause zu schaffen und mich zu rechtfertigen, dass es nicht geklappt hat im MVZ.


    Tja, es wird für mich also keine Barrierefreiheit geben, denn diese, meine Barrieren kann niemand aus dem Weg räumen und ich weiß auch nicht wie ich sie wegräumen soll.
    Lynkas grüßt.

  • Tja, es wird für mich also keine Barrierefreiheit geben, denn diese, meine Barrieren kann niemand aus dem Weg räumen und ich weiß auch nicht wie ich sie wegräumen soll.



    Dazu würde mir zB eine Assistenz über das Persönliche Budget einfallen.
    Schau mal hier zB:
    https://www.familienratgeber.d…/persoenliches-budget.php



    Hast Du eine Pflegestufe?


    Der Punkt würde auch unter körperbezogene Pflegemaßnahmen fallen:


    ..."Körperbezogene Pflegemaßnahmen in Bezug auf das Verlassen und Wiederaufsuchen der


    Wohnung beziehen sich auf solche Aktivitäten außerhalb der Wohnung, die für die Aufrechterhaltung


    der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und das persönliche Erscheinen


    des Pflegebedürftigen erfordern (z. B. Organisieren und Planen eines Arztbesuches oder von


    Behördengängen sowie deren Begleitung)."....



    Info hier auf Seite 31:
    http://www.deutsche-rentenvers…_blob=publicationFile&v=3



    Meine Tochter hätte ähnliche Probleme wie Du (wenn auch aus anderen Gründen) bei der Organisation eines Arztbesuches.
    Zur Zeit organisiere und begleite ich meine Tochter bei den Arztbesuchen.


    Unsere Tochter bekommt ein Persönliches Budget und ihre Assistenz würde sicher auch im Notfall mit ihr zum Arzttermin gehen.
    Wobei ich denke aufgrund ihrer Pflegestufe müsste es eigentlich über eine Ersatzpflege laufen statt über die Eingliederungshilfe. ?(


    Grundsätzlich solltest Du einmal prüfen lassen ob Du einen Anspruch auf ein Persönliches Budget hast.
    Würde durch eine Assistenz (die Du Dir selber aussuchst) Dein Leben evtl barrierefreier werden :?:


    Viele Grüße
    Monika                                                                                                  

    Einmal editiert, zuletzt von Monika ()

  • Danke, Monika :) ! Ich habe mir das durchgelesen und es klingt gut. Gerade das persönliche Budget. Es stellt sich allerdings wieder das Problem, das alles zu organisieren. Da müsste ich erst noch mal jemanden finden, der das dann wieder mit mir macht.

    Hast Du eine Pflegestufe?


    Nein, und ich dachte nicht, dass ich eine Pflegestufe bzw. einen Pflegegrad bekommen würde. Okay, vielleicht Pflegegrad 1, wäre vielleicht besser als nichts, aber was genau hätte ich denn davon? Nur, weil ich eine Pflegestufe hätte, organisiert sich das Weitere dann doch auch nicht. Ich muss dann ja wieder wissen: wer macht was, was brauche ich, wer kann das bieten. Und irgendwie kann immer niemand was bieten, außer, wenn es in die Richtung geht, dass ich mich sozusagen "entmündigen" oder "einweisen" lassen will: da schreien sie alle "hier".

    Grundsätzlich solltest Du einmal prüfen lassen ob Du einen Anspruch auf ein Persönliches Budget hast.
    Würde durch eine Assistenz (die Du Dir selber aussuchst) Dein Leben evtl barrierefreier werden


    Ja, aber wer will denn meine Assistenz sein? Wo finde ich jemanden? Ich brauche z.B. niemanden, der/die hinter mir her läuft und mich ummodeln will. Bisher lerne ich immer nur Helfer kennen, die mich dressieren, behandeln, erziehen, konditionieren wollen. Und sobald ich sage, dass ich das eben nicht möchte und sage, was ich möchte, heißt es, das sei nicht drinn, ich sei dreist in meinen Ansprüchen und man beendet die Zusammenarbeit. Wobei es NIE eine Zusammenarbeit ist, das ist aber auch explizit nicht gewünscht, wenn ich eine Zusammenarbeit einfordere, und das wird dann auch so gesagt. Gerade wieder erlebt, dass eine naseweise SozPäd auf meine Fragen und Wünsche immer nur antwortete: "Ich werde nicht mit Ihnen diskutieren! Sie müssen das jetzt einfach mal so hinnehmen!" und letztendlich hat sie mich rausgeschmissen und schreibt einen negativen Bericht an die Behörde, so dass mir nie wieder eine Arbeitseingliederung genehmigt werden wird. Na, anderes Thema.
    Lynkas grüßt.

  • Ja, aber wer will denn meine Assistenz sein? Wo finde ich jemanden?


    Lynkas, vielleicht hilft dir das weiter:
    http://www.assistenzboerse.de/behindertenassis.htm
    http://www.assistenz.org/assistenz.html


    Online-Beratung bei Behinderung und psychischen Erkrankungen
    https://www.caritas.de/hilfeun…erkrankung-onlineberatung
    http://www.forum-munterbunt.de…hread/235-Pflegeberatung/

    Nein, und ich dachte nicht, dass ich eine Pflegestufe bzw. einen Pflegegrad bekommen würde. Okay, vielleicht Pflegegrad 1, wäre vielleicht besser als nichts, aber was genau hätte ich denn davon? Nur, weil ich eine Pflegestufe hätte, organisiert sich das Weitere dann doch auch nicht. Ich muss dann ja wieder wissen: wer macht was, was brauche ich, wer kann das bieten. Und irgendwie kann immer niemand was bieten, außer, wenn es in die Richtung geht, dass ich mich sozusagen "entmündigen" oder "einweisen" lassen will: da schreien sie alle "hier".


    Pflegeberatung