Birte Müllers Erfahrungsbericht zur UK

  • Guten Morgen,


    unsere Userin Birte Müller hat in der neuen Ausgabe der Fachzeitschrift "Unterstützte Kommunikation" einen tollen Erfahrungsbericht über Willis und ihre Erfahrungen mit UK geschrieben, und findet wie immer klare Worte, vor allem zu dem Problem, dass der Einsatz von UK häufig am Umfeld (Schule, Hört, KZP) scheitert ("Wir verstehen ihn auch so" X( ).
    Hoffentlich lesen den viele, vielleicht könnte man ihn irgendwo zugänglich machen außerhalb des Abonnentenkreises ?

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

  • vor allem zu dem Problem, dass der Einsatz von UK häufig am Umfeld (Schule, Hört, KZP) scheitert ("Wir verstehen ihn auch so"


    Ich finde es ja schon schlimm, dass jeder bei einem sprechenden Kind meint, UK wäre unnötig, ungeachtet dessen, wie und wofür dieses Kind Sprache verwendet... aber bei einem wenig oder nichtsprechenden Kind ist es doch fatal, zu glauben, UK wäre nicht nötig!


    _______________________________________________________
    Liebe Grüße von Phila


    Sohn *2008 HFA / ADHS
    Mama *1972 operierte Skoliose
    Sternchen im Herz 2008


    Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

  • Das stimmt, aber es ist leider noch sehr weit verbreitet. Genauso wie die falsche Ansicht, dass alternative Kommunikationsmittel dazu führen könnten, dass das Kind nicht in Sprache kommt - das Gegenteil ist der Fall, jede Förderung von Kommunikationsfreude ist ein Schritt zu mehr Kommunikation, und wenn das Kind Potential zum Sprechen hat, wird es das auch je eher nutzen, je mehr es insgesamt Kommunikationskompetenz entwickelt.


    Dieses "ich weiß doch eh, was das Kind möchte", oder "das Kind kann ja deuten, was es möchte" hört man öfter, und spricht den Kindern/Menschen halt die Selbstbestimmung und Teilhabe ab. Beispiel aus dem echten Leben: Ein mehrfachbehinderter Bewohner war abends oft sehr unleidig gewesen. Erst mit UK-Versorgung (Talker) kam ans Licht, dass abends oft eine Fliege in seinem Zimmer war und ihn triezte. Es kam ein einsprechendes Bild auf den Talker, und fortan konnte der Mann jedem, auch Uneingeweihten, mitteilen, was ihn da so nervt.


    Teilhabe braucht Kommunikation, ganz klar. Und Selbstbestimmung braucht Kommunikation.


    inzwischen habe ich in der UK-Zeitschrift weitergelesen, da ist noch ein spannender Erfahrungsbericht einer Mutter drin, deren autistischer Sohn UK nutzt.
    Ich baue nachher noch den Link zum Loeper-Verlag ein, bei dem man die Zeitschrift beziehen kann (auch einzelne Ausgaben).

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

    Einmal editiert, zuletzt von Enscha ()

  • Ich muss grad irgendwie grinsen....
    Die liebe E. braucht sicher kein UK. Sie hat eine völlig normale Sprachentwicklung (wenn ich das so als Laie sagen darf), aber ist eben noch sehr jung (wird im April 2).
    Ehrlich gesagt ist es ja wunderschön wenn Eltern ihr Kind verstehen und alles... Wenn ich dann aber überlege, das ich selber öfter mal eine Übersetzung für E brauche, weil ich einfach nicht verstehe was sie mir sagen will... Wie frustrierend muss das dann erst für Kinder sein, die Sprachprobleme haben?!


    Ich vermute mal, das auch E manchmal frustriert oder genervt ist, wenn ich einfach nicht verstehen will was sie mir sagt... Aber wahrscheinlich ist diese Frustration zu einem gewissen Teil auch notwendig um in der Sprachentwicklung weiter zu kommen. Könnte ich mir jetzt so vorstellen...


    Irgendwie... Warum kommt man bitte auf die Idee, das es völlig ausreicht wenn man als Eltern sein Kind versteht? Man kann doch bei keinem Kind immer anwesend sein. Selbst die ganz Kleinen müssen ab und zu eben doch fremd betreut werden.
    Aber wenn ich dann ein Kind im Grundschulalter oder Älter habe, ist das ja eigentlich schon fast fahrlässig...
    *kopfschüttel* Nein, dafür habe ich kein Verständnis.



    Enscha, wo genau hast du denn den Artikel von Birte gelesen? Kann man den denn gar nicht verlinken?

  • Hallo Trixi,


    ein in normales zweijähriges braucht sicherlich keine UK, solange es sich nicht bloß mit den Eltern, sondern zB auch unter Gleichaltrigen verständlich machen kann.

    Zitat

    Frustration zu einem gewissen Teil auch notwendig um in der Sprachentwicklung weiter zu kommen. Könnte ich mir jetzt so vorstellen...

    Das ist leider auch unter Erziehern und sogar Therapeuten (eher den älteren ;) )ein gängiges Vorurteil, Kinder wären bloß zu faul zum besser Sprechen bzw. besser sprechen Lernen. Dem ist nicht so. Im Gegenteil: Frustration in der Interaktion (und da gehört Sprechen ja mit zwei Jahren dazu) kann dazu führen, dass sich ein Störungsbewusstsein bildet, dass das Kind weniger spricht, weil es das nicht gut kann und/oder sich schämt.


    Bei einem Kind mit zwei, das wirklich NUR de Eltern verstehen, wird sogar (!) der KiA Logopädie verschreiben (bei dem "wächst sich" ja sonst eher alles "aus" :P ) [Sarkasmus Off]


    @Trixi, der Artikel steht in der genannten Fachzeitschrift. Den kann man nicht verlinken (sonst wären Fachzeitschriften bald pleite). Aber man kann die Zeitschrift auch einzeln beziehen. Die aktuelle Ausgabe ist auch für Laien, konkret zB Eltern potentieller Nutzer, interessant.
    http://www.ariadne.de/inklusiv…on-1/2017-n/uk-0117/?c=67


    Grüße

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

    9 Mal editiert, zuletzt von Enscha ()

  • Das ist leider auch unter Erziehern und sogar Therapeuten (eher den älteren )ein gängiges Vorurteil, Kinder wären bloß zu faul zum besser Sprechen bzw. besser sprechen Lernen. Dem ist nicht so. Im Gegenteil: Frustration in der Interaktion (und da gehört Sprechen ja mit zwei Jahren dazu) kann dazu führen, dass sich ein Störungsbewusstsein bildet, dass das Kind weniger spricht, weil es das nicht gut kann und/oder sich schämt.


    Wenn ich darüber nachdenke, klingt das schon sehr logisch was du schreibst. Ich wäre jetzt eher nicht davon ausgegangen, das Kinder faul sind und nicht sprechen oder besser sprechen lernen wollen.
    Ich denke, da kommt es auch sehr darauf an in wie weit da Frustration ist. Also bei E. ist es sicher frustrierend wenn sie mir ständig "Pferde" sagt und ich ihr erkläre das ich keine Pferde sehen kann... Es hat dann doch eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, dass sie mit mir jetzt zu den Pferden gehen möchte. Ich denke, da ist dann ja auch Freude oder Stolz oder so, wenn ein Kind merkt, dass Gegenüber hat mich jetzt verstanden.
    In der normalen Sprachentwicklung ist ja eigentlich beides dabei.


    Anders ist es bei den Kindern die eben keine normale Sprachentwicklung haben. Da ist es schon nachvollziehbar das der Frust immer größer wird und da ist es für mich verständlich, dass man dann irgendwann aufgibt und gar nicht mehr Sprechen mag.



    Ich persönlich glaube, das UK nicht nur Menschen nutzt die nicht sprechen können. Schon allein weil ich mich mit dem Thema ab und zu beschäftige (ohne das ich jetzt direkt selbst drauf angewiesen wäre in irgendeiner Art und Weise) habe ich viel über Kommunikation gelernt. Auch darüber was es bedeutet zu reden. Früher habe ich mir wenig Gedanken darüber gemacht was es bedeutet nicht sprechen zu können.



    *grübel* Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, wird mir bewusst, das ich doch schon mal UK anwenden musste. Allerdings wusste ich zu dem Zeitpunkt glaube nicht, dass es UK gibt.
    Am Anfang hat man mir, so weit ich es aus Erzählungen weiß eine Buchstabentafel gegeben. Das war nicht so einfach, weil ich zu dem Zeitpunkt kaum richtig wach war. Später habe ich es dann mit Stift und Papier versucht... Aber auch das war vor allem für meine Angehörigen sehr, sehr anstrengend. Ich konnte kaum schauen was ich genau schreibe und scheinbar habe ich fleißig die Buchstaben übereinander geschrieben, so dass man direkt mitlesen musste was ich wollte. ;)
    Am einfachsten hat es mit Handzeichen geklappt. Aber da ist die Kommunikation natürlich recht eingeschränkt. Interessanterweise haben die anderen meine Handzeichen trotz allem verstanden. Es hat ausgereicht um zu sagen, das ich Durst habe, oder Schmerzen. Auch das ich meinen Laptop möchte oder gerne Fernseh schauen will, wurde verstanden. Ich konnte auch zeigen, ob ich in den Stuhl möchte oder dann eben doch lieber wieder ins Bett. ;)


    Ich erinnere mich nicht gerne an die Zeit... Aber es ist schon doof, wenn man plötzlich nicht mehr Sprechen kann. Ob ich am Anfang öfter noch probiert habe zu sprechen, weiß ich nicht mal mehr. Das verschwindet im Nebel. Als ich fitter war, habe ich es gar nicht probiert. Da habe ich eben geschrieben (oder auch mal gekritzelt). Am Laptop war das für mich recht einfach. In sehr große Schrift konnte ich dann lesen, was ich geschrieben habe und die anderen haben normal geantwortet. :)


    Ich war auf jeden Fall sehr froh, als ich meine Lautsprache zurück bekommen habe. Musste dann gleich meine Mama anrufen um ihr das ganz stolz zu erzählen... Sie hat mich leider erstmal nicht verstanden, weil sie nicht daran gedacht hat, das ich ja vielleicht wieder sprechen könnte. Als sie es dann verstanden hat, wer da gerade anruft, war sie still und hat geweint vor Freude.



    Das der Artikel in einer Fachzeitschrift steht, habe ich leider erst zu spät gelesen... Aber danke, @Enscha, dass du die Zeitschrift verlinkt hast!

  • Mensch Trixi, da hast Du ja was durchgemacht!
    Das glaube ich gern, dass Deine Mama erstmal geweint hat!!!


    Ich weiß noch, dass Junior von ca. 1,5 bis er so 2,5 Jahre alt war, immer den Kopf auf den Boden gehauen hat, wenn wir nicht verstanden haben, was er wollte.
    Sicher machen das viele Kinder, aber im Nachhinein denke ich mir, gehörte das doch auch zum Autismus.
    Aktuell haben wir Probleme damit, dass Sohnemann oft nicht in der Lage ist, etwas zu fragen, oder um Hilfe zu bitten oder zu sagen, wenn er Kopfschmerzen hat.
    Leider meint auch fast jeder, dass es nicht so schlimm sein kann, wenn er nix sagt. Ich habe mit den I-Hilfe zusammen nun eine Karte gebastelt, mit Symbol für Kopfweh plus Skala 1-10 und Farben von grün bis rot. Daheim nutzte er sie schon, ich bin gespannt, wie es in der Schule damit geht. Aber ist ja alles Quatsch. Er kann doch sprechen! *Ironie off*


    Ganz drastisch finde ich den Fall eines autistischen Kindes, das ich letztes Jahr kennengelernt habe. Das Kind spricht durchaus. Kommuniziert aber wenig um eigene Bedürfnisse zu nennen. Im gewohnten Umfeld geht es besser, aber in fremder Umgebung gar nicht. Der Mutter wurde von einer Fachkraft für Autismus UK empfohlen. Sie nahm per Mail Erstkontakt zu der ihr empfohlenen Stelle auf, aber die Beratungsstelle meinte, nach den Schilderungen der Mutter braucht das Kind kein UK. Das fand ich sehr schade, zumal diese Stelle als UK Spezialisten gelten und sie das Kind nicht kennengelernt hatten.
    Ich habe oft nicht verstanden, was das Kind gerade bräuchte. Manchmal kam zwar ein "Nein" sodass man wusste, das ist gerade das Falsche, aber das Kind konnte nicht sagen, was es stattdessen wollte.
    Wenn das Kind nun in der Schule Probleme hat, wie soll es sich dann mitteilen?


    Wäre ich die Mutter, ich wäre wahrscheinlich hartnäckiger geblieben. Aber vielleicht fehlt ihr auch die Kraft dazu, ständig um alles kämpfen zu müssen.


    _______________________________________________________
    Liebe Grüße von Phila


    Sohn *2008 HFA / ADHS
    Mama *1972 operierte Skoliose
    Sternchen im Herz 2008


    Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

  • Phila, ja es war eine schwere Zeit... Aber ich glaube für die Pflegekräfte war es gar nicht so tragisch. Die sind dort daran gewöhnt das die Patienten nicht kommunizieren können oder wenn dann nur sehr eingeschränkt.
    Letztendlich war es nur ein sehr, sehr kurzer Zeitraum. Vor allem für ich, da ich die erste Zeit nicht bewusst erlebt habe. Für meine Angehörigen war es da viel schlimmer...


    Wenn ich mir vorstelle ich müsste über Wochen, Monate oder Jahre so leben... Das wäre irgendwie schon eine ziemliche Horrorvorstellung für mich.
    Auf der anderen Seite habe ich das Glück Sprechen und Schreiben zu können. Also wäre ich wahrscheinlich durchaus in der Lage irgendwie zu kommunizieren, vor allem wenn ich entsprechende Mittel bekommen würde.


    Wie viel schlimmer muss es dann für ein Kind sein, dass diese Möglichkeiten noch gar nicht erlangt hat und immer nur frustriert ist, weil es sich nicht mitteilen kann?

  • Trixi, das ist wirklich eine Horrorvorstellung!
    Wie gut, dass Du sprechen, schreiben, dich mitteilen kannst, ohne auf irgendeine Hilfe dazu angewiesen sein zu müssen.


    Für ein Kind stelle ich mir das auch furchtbar vor, wenig oder gar nicht verstanden zu werden.


    _______________________________________________________
    Liebe Grüße von Phila


    Sohn *2008 HFA / ADHS
    Mama *1972 operierte Skoliose
    Sternchen im Herz 2008


    Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen!