Kind mit Mehrfachbehinderung

  • ...bevor dieser Bereich hier vorerst leer bleibt...


    Unser Sohn hat eine Mehrfachbehinderung inklusive einer ehemaligen Intensivkind "Karriere"...


    (bevor der Anschein entsteht es gäbe hier noch niemanden im Themenbereich ;) )


    LG


    J
    onna
    ~~~~~~~~~~
    mit Jesper und Felix *2006 (Down Syndrom PLUS, gehörlos und weitere Baustellchen...)




  • Hallo Jonna,
    doch, ich bin auch "mehrfachbehindert", aber eben kein Kind mehr. Und in meinen Posts "beschränke" ich mich meistens auf eine "Baustelle", bzw. meist schreibe ich über autismusbedingte Behinderungen im Alltag, da hier ja mehrere Leute schreiben, die sich darüber austauschen mögen.
    Die körperlichen Behinderungen und die "Spätschäden", die ich als ehemaliges Frühchen habe, sind nicht so gut zur Diskussion geeignet bzw. da gibt es wenig, was mir andere raten können oder was ich anderen raten kann.
    Ich fühle mich zwar "mehrfachbehindert", aber im Alltag hat sich bei mir über die Jahre festgesetzt, dass die Erwähnung meines "Problemkomplexes" eher dazu führt, dass die Leute abgeschreckt sind (auch Ärzte), nach dem Motto: "Was, das haben Sie alles? Also das ist mir jetzt zu komplex."
    Jeder Arzt möchte nur sehen, was in seinen Fachbereich passt - wenn überhaupt.
    Und Spätschäden aus einer Kindheit mit unzureichender Behandlung/einer Kindheit mit unzureichender Diagnostik zu haben, das ist so oder so immer ein no go Thema. Da werden entweder meine Eltern beschimpft, oder ich werde beschimpft oder mir wird unterstellt, ich hätte mir das ausgedacht (ja, ernsthaft passiert!)
    Deswegen ist es schwierig, dadrüber zu reden oder zu schreiben.
    Lynkas grüßt.

  • Jeder Arzt möchte nur sehen, was in seinen Fachbereich passt - wenn überhaupt.


    Das ist ein sehr großes Problem, mit dem auch wir zu kämpfen haben. Mein Sohn hat ja auch eine Mehrfachbehinderung: Autismus und Epilepsie. Leider haben die Ärzte in unserem Fall noch nie zusammengearbeitet. Das ist für uns ein großes Problem, weil bestimmte Verhaltensweisen und Problematiken nicht eindeutig zuzuordnen sind. Da bräuchten wir die Zusammenarbeit der Ärzte, oder einen Arzt, der sich mit beiden Behinderungsbildern auskennt.
    Ich frage mich, wie das bei anderen abläuft, die sehr schwer von unterschiedlichen Behinderungen betroffen sind. Für diese Menschen ist doch die Zusammenarbeit der verschieden Fachärzte überlebenswichtig.

  • Jeder Arzt möchte nur sehen, was in seinen Fachbereich passt - wenn überhaupt.


    das sehe auch ich bei uns als riesen Problem...


    ...ganz besonders hat dies auch dauerhaft negative Auswirkungen für den gesamten Unterstützungsbereich, die Teilhabemöglichkeiten und den kompletten Schulbereich... :icon_sad


    J
    onna
    ~~~~~~~~~~
    mit Jesper und Felix *2006 (Down Syndrom PLUS, gehörlos und weitere Baustellchen...)




  • Meine Tochter hat von Geburt an eine geistige Behinderung.
    Mit 6 Jahren wurde eine Rheumatoide Arthritis (mit Augenbeteiligung) festgestellt.
    Sie ist auf einem Auge erblindet.
    Durch die Rheumaerkrankung hat sie auch körperliche Einschränkungen.
    Außerdem hat sie noch eine Endometriose.


    Die Kombi einer geistigen Behinderung und einer chronischen Erkrankung (wie die Rheumatoide Arthritis)
    hat meiner Tochter schon oft das Leben schwer gemacht.
    Sie benötigt aufgrund ihrer kognitiven Einschränkungen Hilfe u.a. bei Verabreichung von Medikamenten wie Augensalbe und Spritzen.
    Die Betreuer vom ambulanten Dienst machen/dürfen so etwas nicht unbedingt.
    Sie ist also zusätzlich auf uns Eltern oder eben einen Pflegedienst angewiesen.
    Dadurch ist es auch schon oft vorgekommen das sie an Freizeitaktivitäten nicht teilnehmen konnte.
    Dann wird ihr so richtig bewusst wie eingeschränkt sie gegenüber ihrer Freundinnen ist, die ja "nur" eine
    geistige Behinderung haben, aber ansonsten topfit sind.
    Das macht sie dann auch oft wütend und traurig.


    Ich habe das Gefühl das Behindertendienste sich gerade bei der Betreuung von Menschen wie meine Tochter schwer tun.
    Entweder werden schwerstmehrfachbehinderte Menschen betreut oder eben eigentlich "fitte" geistig behinderte Menschen.
    Meine Tochter passt da eigentlich in keine Gruppe wirklich rein. :icon_sad


    Viele Grüße
    Monika                                                                                                  

    Einmal editiert, zuletzt von Monika ()

  • Die Betreuer vom ambulanten Dienst machen/dürfen so etwas nicht unbedingt.


    Mein Sohn nimmt Antiepileptika. Uns wurde gesagt, dass die Betreuer in den Einrichtungen generell keine Medikamente geben und daher immer ein Pflegedienst zu festgelegten Zeiten kommt.
    Das schränkt natürlich die Freizeit ein und das macht auch uns Bauchschmerzen.


    Entweder werden schwerstmehrfachbehinderte Menschen betreut oder eben eigentlich "fitte" geistig behinderte Menschen.
    Meine Tochter passt da eigentlich in keine Gruppe wirklich rein.


    Die Erfahrung haben wir auch gemacht. Mein Sohn passt in kein Raster hinein. Und nun? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich bin mit meinem Latein so ziemlich am Ende. :/

  • Uns wurde gesagt, dass die Betreuer in den Einrichtungen generell keine Medikamente geben und daher immer ein Pflegedienst zu festgelegten Zeiten kommt.
    Das schränkt natürlich die Freizeit ein und das macht auch uns Bauchschmerzen.


    Das ist ein großes Problem.
    Meine Tochter bekam damals im Ambulant Betreuten Wohnen alle 2 Stunden Augensalbe verabreicht.
    Auch dafür mussten wir einen Pflegedienst bestellen.
    Unsere Tochter war praktisch an die Wohnung "gefesselt", während alle anderen machen konnten was sie wollten.
    Das ist ein echtes Problem. :icon_sad



    Die Erfahrung haben wir auch gemacht. Mein Sohn passt in kein Raster hinein. Und nun? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich bin mit meinem Latein so ziemlich am Ende.


    Aber es muss doch auch eine Lösung für solche Menschen geben.
    Auf der einen Seite ist unsere Tochter relativ fit aber aufgrund ihrer schweren chronischen Erkrankung ein "Pflegefall".
    So kam sie sich jedenfalls damals vor.
    Alle (Betreuer, Pflegedienst, Kostenträger) haben ihr eingeredet was sie alles nicht kann, was sie alles nicht darf, was alles nicht geht....es war ein echter Alptraum für unsere Tochter. :thumbdown:
    Sie wurde dermaßen demotiviert, so etwas hatten wir bis dahin noch nie erlebt. :icon_cry


    Viele Grüße
    Monika                                                                                                  

  • Wie sieht denn die Zukunft für deine Tochter aus?


    Wir wissen es nicht. :icon_sad




    Ich verstehe das ganze System nicht.


    Hier werden immer mehr Behinderten-WG's gegründet.
    Grundsätzlich ja auch nicht verkehrt.


    Diese Behinderten WG's sind oft so aufgebaut:
    Die Behinderten Organisation mietet z.B. ein Haus an mit drei Wohnungen.
    In jede Wohnung zieht eine WG.(3-4 Personen)
    Die Behinderten Organisation vermietet die WG-Plätze weiter an Klienten.
    Es wird mit jedem Klienten ein Mietvertrag geschlossen.
    Die Klienten bekommen Grundsicherung und zahlen damit die Miete.
    Jeder Klient beantragt ein Persönliches Budget.
    Damit soll dann die Betreuung/Unterstützung finanziert werden.
    Leider sind diese Budget's aber lange nicht bedarfsdeckend.
    Wer noch eine Pflegestufe hat beauftragt noch einen Pflegedienst u.s.w.


    Es ist so das immer mehr behinderte Menschen in solchen WG's untergebracht werden.
    Aber es ist ja nicht so das alle diese Menschen die früher in Wohnheimen untergebracht wurden
    und jetzt eben in WG's wohnen, genau so wenig Hilfebedarf haben wie der frühere Klientel der
    im Ambulant Betreuten Wohnen lebte.
    Aber genau so wird es gehandhabt.
    Mit ein paar Fachleistungsstunden (ca 4-8Std. pro Woche) soll alles abgedeckt werden.
    Das funktioniert natürlich nicht.


    So umgesetzt sind es also eigentlich selbst organisierte WG's.
    Somit ist aber auch keinerlei Aufsicht zuständig, wie z.B. eine Heimaufsicht.


    Wie gesagt ich finde solche WG's grundsätzlich nicht verkehrt aber es muss ordentlich finanziert werden.
    Und wenn keine Heimaufsicht zuständig ist muss eine andere Überprüfung organisiert werden,
    ansonsten befinden sich solche Menschen in einem Abhängigkeitsverhältnis und das kann/darf es nicht sein.


    Viele Grüße
    Monika                                                                                                  

    Einmal editiert, zuletzt von Monika ()

  • Hallo!


    Wenn ich so darüber nachdenke, muss ich mich hier wohl einreihen beim Thema "Mehrfachbehinderung".
    Ich habe sowohl eine körperliche Behinderung, gleichzeitig aber eine psychische Erkrankung die mich ebenfalls behindert.
    Es ist unglaublich, wie wenig die Fachleute in der Lage sind, sich darauf einzulassen. Während ich im psychischen Bereich kaum eine Chance habe, das meine körperlichen Einschränkungen berücksichtigt werden (teilweise wird mir sogar unterstellt das Problem wäre psychischer Natur!), scheinen die Ärzte im körperlichen Bereich recht unsicher zu sein was die Psyche angeht und akzeptieren daher recht unkompliziert Dinge die wegen meiner Psyche wichtig sind.


    Häufig werde ich trotzdem immer wieder hin und her geschoben. Hätte ich noch keine psychische Erkrankung gehabt, wäre ich wohl früher und intensiver wegen meinen körperlichen Problemen untersucht worden. Für mich ist es heute noch unbegreiflich wieso ich 3 Monate unter Gallensteinen leiden musste, bis ich am Ende sogar Gallenkoliken hatte und nicht mal mehr Wasser bei mir behalten konnte. Ich wurde einfach nicht untersucht. Ein paar Tabletten hier, bisschen was da und gut ist.


    Ich hatte am Ende Glück das ich in einer internistischen - psychosomatischen Ambulanz gelandet bin. Frage mich gerade, ob es nicht auch gemischte Ambulanzen für andere Bereiche gibt.



    Monika: Was du da über die WG-Situationen schreibst finde ich gruselig. Kann ich wirklich nicht nachvollziehen, warum es scheinbar unmöglich ist, sich mehr an die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung anzupassen.
    Es wäre wirklich schön, wenn die Gesellschaft endlich lernen würde umzudenken. *seufz*

  • So umgesetzt sind es also eigentlich selbst organisierte WG's.
    Somit ist aber auch keinerlei Aufsicht zuständig, wie z.B. eine Heimaufsicht.


    Wie gesagt ich finde solche WG's grundsätzlich nicht verkehrt aber es muss ordentlich finanziert werden.
    Und wenn keine Heimaufsicht zuständig ist muss eine andere Überprüfung organisiert werden,
    ansonsten befinden sich solche Menschen in einem Abhängigkeitsverhältnis und das kann/darf es nicht sein
    .



    Hier bei den Infos der Verbraucherzentrale geht es genau um die von mir oben beschriebene Problematik.

    Nur hier vor Ort werden die Wohngemeinschaften eben nicht von einem Pflegedienst sondern von einer anderen Organisation gegründet:



    ..."In der Praxis wird die Wohnform "Wohngemeinschaft" nicht immer so umgesetzt, wie es eigentlich vorgesehen. So initiieren oftmals Pflegedienste Wohngemeinschaften (WG), wollen dann aber auch über alle wesentlichen Fragen ohne Einbeziehung der Angehörigen bestimmen, so dass solche Gemeinschaften eher "Kleinstheime" sind.


    Die Länder sind aufgerufen, als Nachfolgeregelung zum Bundesheimgesetz eigene Landesgesetze zu schaffen. Den Gesetzgebungsauftrag haben inzwischen alle Länder umgesetzt. Die Bundesländer mit eigenem Landesgesetz sehen teils eine personelle Mindestbesetzung vor oder fordern zwingend ein Angehörigengremium. Damit werden in einigen Ländern die Heimaufsichten auch Wohngemeinschaften überprüfen. In anderen Bundesländern wird es derartige Prüfungen nicht geben."....

    Komplette Infos:

    https://www.verbraucherzentral…treute-wohngemeinschaften


    Viele Grüße
    Monika                                                                                                  

  • Ich habe mir diesen Thread gerade noch einmal durchgelesen und es war rauszulesen, dass Ärzte im Umgang mit mehrfachbehinderten Menschen nicht ausreichend qualifiziert seien. Das Thema möchte ich gerne hier nochmals aufgreifen.


    Menschen mit einer Mehrfachbehinderung müssen in der Regel Ärzte verschiedener Fachrichtungen aufsuchen. in der Regel gibt es kaum eine Zusammenarbeit unter den Medizinern.
    Weiß jemand, ob es Bestrebungen gibt, diesen Zustand zu ändern? Ich weiß, dass es SPZ und nun auch medizinische Behandlungszentren für Erwachsene gibt, aber optimal läuft das ja alles noch nicht.


    Der Zustand, dass Menschen mit einer Mehrfachbehinderung nicht ausreichend ärztlich versorgt werden können, ist ja ein unhaltbarer Zustand. Da muss die Politik unbedingt handeln, aber ich fürchte, es ist kaum Bewusstsein für dieses Problem vorhanden.

  • In unserem Pauschalvergütungsgesundheitssystem gilt: Je kranker ein Patient im jeweiligen Bereich, desto weniger gerne ist er gesehen. Das ist per se schon ungerecht.
    Für Behinderte jedoch unhaltbar.
    Ärzte, die behinderte Patienten behandeln, sollten besonders honoriert werden. Das wäre ein Anreiz.


    Aber ob unsere Politik gewillt ist, solche Anreize zu schaffen, wird wohl kaum noch jemand glauben...