Ihr Kind ist halt ein Spätzünder - Wenn Eltern nicht ernst genommen werden

  • Ihr Kind ist halt ein Spätzünder! Kennt ihr diesen Satz?


    Ich habe schon kurz nach der Geburt gemerkt, dass mit meinem Sohn etwas nicht stimmt. Er war ein sehr ruhiges Baby, schlief viel und entwickelte sich viel langsamer, aber die Ärzte nahmen mich nicht ernst.
    Selbst als mein Sohn mit einem Jahr seinen ersten epileptischen Anfall hatte, glaubte man mir als Mutter nicht.
    Erst als die Ärzte den vierten Anfall live miterlebten, nahmen sie mich ernst und mein Sohn bekam Medikamente.
    Allerdings wollten sie nichts von einer Entwicklungsverzögerung wissen, sondern sprachen immer nur von einem Spätzünder.
    Selbst der Neurologe sah keinen Handlungsbedarf.


    Später sprach ich die Ärzte immer wieder auf eine eventuelle geistige Behinderung an, aber auch hier verhallten meine Sorgen, bis wir dann zum Schuleintritt vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.
    Anstatt uns aufzuklären und zu unterstützen, hat man uns im Regen stehengelassen.
    Um Logopädie, Physiotherapie und Ergotherapie musste ich damals anfänglich betteln. Kein Arzt hätte von sich aus die Therapie verschrieben. Das funktionierte nur mit unserer Hartnäckigkeit.


    Es war schrecklich gegen Wände zu rennen.
    Kennt ihr solche Erfahrungen?

  • Als ich selbst eigentlich schon "ahnte", dass mein Großer irgendwo im autistischen Spektrum angesiedelt ist, habe ich mir sogar von meinem Kinderarzt, der auch die ärztliche Leitung in einem Entwicklungsambulatorium (!) hat, "Modediagnose" anhören müssen. Allerdings hat er mir gesagt, dass ich von ihm jede Überweisung bekomme, die ich für nötig halte, da ich den kleinen Prinzen nun einmal am besten kenne. Deshalb bin ich auch nach wie vor bei ihm mit meinen Kindern. Mit Ergotherapie habe ich lange vor der Diagnose begonnen, da ich ja merkte, dass er und ich (!) dringend Hilfe brauchten.


    Vielleicht haben manche Ärzte das "Glück", eher mit hysterischen Müttern als mit zu Recht besorgten zu tun zu haben, aber für mich grenzt es schon fast an Arroganz, die wiederholt geäußerten Sorgen einer Mutter nicht Ernst zu nehmen. Wenn dein Sohn schon früh "auffällig" war, dann musstest du ja einiges durchmachen, bevor dein Sohn endlich die notwendigen Unterstützungen bekam. Zum Glück bist du offenbar wirklich stark und hartnäckig geblieben! :thumbup:


    Zu mir sagen viele Leute "das wird er schon noch lernen". Häufig aber auch, kommt mir vor, weil sie wirklich nicht wissen, was sie sonst sagen sollen ...

  • Ach ja, das kenne ich nur zu gut!


    Ich hab auch sofort gemerkt, mein Kind ist anders.
    Immer hieß es "er war ja auch ein bisl zu früh" (34. Woche)
    Der Kinderarzt dem ich 2011 bei der U meine Beobachtungen schilderte meinte "das würde ja auf Autismus oder Mutismus hindeuten. Aber nein! Er spricht ja! Und er hat sich ja anfassen lassen"
    Das war unser letzter Besuch dort!


    Beim nächsten Kinderarzt musste ich um Ergo betteln, die Therapeutin, die wir "erwischten" sah auch keine Therapiebedürftigkeit.
    Bei der Einschulung dann die Amtsärztin "warum bekommt er keine Ergo???"
    Der KiA musste dann aber erst nochmal selber testen, bevor wir Ergo bekamen.


    Unsere jetzige KiÄ ist Gott sei Dank ganz anders, sie nimmt mich absolut ernst und unterstützt uns wie sie nur kann.


    Dass mein Kind mit 13 Monaten erst gekrabbelt ist und mit zwölf Monaten noch nicht frei sitzen konnte, fand damals auch keiner bedenklich.
    Erst die Ärztin bei der Autismus Diagnostik fand es auch etwas spät, dass er erste Worte erst mit 20 Monaten gesprochen hat.
    Auch, dass er wirklich dauernd hingefallen ist, fand keiner komisch. ...ist halt 'n echter Bub...


    Ohne Worte einfach!


    Aber dass man einer Mutter erst glaubt, wenn der 4.Anfall live erlebt wird... :eek
    Da fehlen mir auch grad die Worte!


    _______________________________________________________
    Liebe Grüße von Phila


    Sohn *2008 HFA / ADHS
    Mama *1972 operierte Skoliose
    Sternchen im Herz 2008


    Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um so zu sein, wie andere mich haben wollen!

  • Unser KiA hat mich auch mehrmals weggeschickt, alles okay, meinte er. Den manisch Türen auf- und zumachenden Hans hat er mitsamt der netten Sprechstundenhilfe rausgeschickt, um sich mit mir hysterischer Mutter in Ruhe unterhalten zu können :S


    beim nächsten Versuch hatte ich ne lange Liste dabei, was alles auffällig ist (KEIN Spiel, null!, Stereotypien, heftige Abwehr von Neuem, ...), auch nix. Dann hat er mir für den Kiga, der hier nur komplett trockene Kinder nimmt, ein (natürlich sinnloses) Attest mitgeschickt, dass der Hans eine Regression wegen der kleinen Schwester hat und deshalb dringend unter Kinder muss :pfff Tolle Sache, die Regression war schon VOR der Schwester da. :schock


    gottseidank sind wir durch reines Glück dann an eine fähige KJP gekommen, da sind wir heute noch, beim KiA sind wir alle heiligen Zeiten zum Impfen oder kleinere Unfälle versorgen ...



    inzwischen habe ich mir ein Auftreten angewöhnt, das dem Ernstnehmen hilft ... :)

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

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  • Krass Enscha 8o
    Ich frage mich bei solchen Geschichten immer, was mit den Ärzten los ist?!
    Ein Arzt, der sogar die Auffälligkeiten hautnah miterlebt und trotzdem nicht reagiert.....was ist das denn?
    Schlechte Ausbildung?
    Desinteresse?
    Betriebsblindheit?

  • Die Arztgemeinschaft ist ansonsten eigentlich auf einem ganz guten Wissensstand - muss also an der damaligen Ausbildung liegen (Autismuswissensloch) und/oder daran, dass aktuelle Fortbildungen in der Beziehung irgendwie falsche Bilder transportieren. Nämlich zuwenig Info über Frühförderung, Ergo, usw.
    Tatsächlich ist es mit Sicherheit so, dass viele Eltern heute weiße Mäuse sehen, ihre Kinder extrem auf Vergleichsbasis sehen und deshalb schon früh defizitorienitiert schauen, oft auch überbehütend sind - aber gerade deshalb wäre es dann wichtig, dass der Kinderarzt wenigstens genau hinschaut und genau checkt.


    Ich bin in der Praxis übrigens immer noch, allerdings brauchen wir fast nie einen KiA (Hans hat eher behandlungsbedürftige Unfälle als Krankheiten). Und wenn wir doch mal dort sind, dann ist die Autismuskompetenz eher auf meiner Seite.. Die Fragen, die da kommen, sind auch eher naiv (Interesse scheint also da) .. Wie gesagt, ich habe meine KJP, die ist gut, und kommt sogar auf Hausbesuch zu ihrem "Schätzchen"

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

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  • Trixi

    Hat das Label Kinder hinzugefügt.