Zitat
Ich glaub jetzt nicht wirklich, das da immer Behindertenfeindlichkeit zu Grunde liegt, eher halt so eine grundlegende Verflachung in Richtung Status.
...das gibt es wahrscheinlich oder sogar ganz sicher auch. Aber man kann ja schließlich auch Läuse und Flöhe haben: Behindertenfeindlichkeit und Statusdünkel!
Außerdem: ich unterscheide zwischen Behindertenfeindlichkeit und dieser von Wohltätigkeit geprägten Fürsorge, die z.b. vor allen Menschen mit kognitiven oder sozial-emotionalen Handicaps das Recht auf Selbstbestimmung weitgehend abspricht.
"Behindertenfeindlichkeit" ist so ein Begriff, der da oft nicht zu passen scheint und trotzdem ...
... Eine ehemalige Nachbarin z.B, die meinem Sohn mit Behinderung eigentlich immer sehr liebevoll gegenübergetreten ist, sagte anlässlich seiner Einschulung und meiner Bemühungen um Inklusion : " Ach Ihr sohn ist ja so niedlich. Solange sie so klein sind, gehören die Kinderin die Familien. Aber jeder sollte nun mal auf seinem Platz bleiben. Später gibt es dann so gute Einrichtungen für solche Menschen, wo sie ganz toll betreut werden. Was soll Ihr sohn denn unter Normalen, wenn er mal groß ist?."
Diese Pseudo-Fürsorge, die ihm defacto jegliche Selbstbestimmungsrechte und Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe vorenthält, die schafft für mein Kind eine 1000mal feindlicheres Klima als jedes unreflektiertes -dummes" Scheiß-Behindi"
Der Unternehmer, der jedes Jahr statt Weihnachtskarten und Kundengeschenken eine 5 stellige Summe als Spende an einen Behindertenverband überweist, aber keinen Mitarbeiter mit Behinderung einstellt,ist der behindertenfeindlich?
Und wenn er seine Beschäftigungsquote trotzdem nicht erfüllt?
Und wenn er stattdessen alle Aufträge an eine WfMmB vergibt?
Diese Gesellschaft, in der sich eine Birte sorgt, ob die außergewöhnliche Art ihres Sohnes für andere tragbar ist,die ist behindertenfeindlich! Birte wird ganz sicher,wenn der kleine oder auch größere
Willi während des Konzertes in der Elphi komplett am Rad drehen sollte, so dass alle Besucher um ihn herum keine Chance mehr haben die Musik zuhören und das ganze Orchester komplett nur nochauf Willi schaut den Konzertsaal verlassen. Aber Birte bezweifelt ja schon - und das zurecht- ob einfaches dazwischenklatschen, jauchzen und aufspringen akzeptiert werden würde.
Es ist kein Naturgesetz, dass klassische Musik in so einer steifen undstillen Atmosphäre gehört werden muss, zu anderen Zeiten und an anderen Orten geschieht und geschah das auch anders, wie in dem Artikel geschildert
Und man kann das schließlich auch lernen - man kann nämlich nicht nur Ängste und,Ablehnung kultivieren und vermehren, wie wir das in gewissen Ströumungen zur Zeit feststellen müssen.
Man kann auch lernen das anderssein anzunehmen und als Vielfalt wertzuschätzen, man kann sich darin üben Toleranz und Akzeptanz zu zeigen.
Und so ein gesellschaftlicher Lernprozess nützt dann nicht nur Menschen mit Behinderung, Migrationshintergrund oder queeren Geschlechteridentität sondern vielleicht auch dem Altphilologen und lebenslangem Klassikkonzertabonennten der Elphi
- spätestens dann,wenn er mit 85 und fortgeschrittener Demenz vons einem Enkel trotz Dauergesabbere und Röchelgeräuschen in seine zeitlebens geliebte Elphi geschoben wird...
Nein ,ich teile Ellas Überzeugung: wenn zukünftig ganz selbstverständlich Menschen mit Behinderung in unseren Kino- oder Konzertsäälen auftauchen, dann ist das keine Bedrohung sondern eine Chance für unsere Gesellschaft!