Artikel - Recht auf Behinderung?

  • Ein gehörloses britisches Elternpaar wünscht sich ein ebenfalls gehörloses Kind per künstlicher Befruchtung. Dazu müsste ein Embryo mit genetischer Taubheit selektiert werden.
    Das Einsetzen von Embryonen mit Behinderung wird in Großbritannien zum Zeitpunkt des Artikels diskutiert und soll verboten werden, was das Paar als Diskriminierung von Gehörlosigkeit empfindet.
    Der Artikel zeigt mal eine ganz andere Sichtweise. Er stammt aus dem Jahr 2008. Ich weiß also nicht wie die Gesetzeslage derzeit in Großbritannien ist.
    http://www.zeit.de/2008/13/Glosse1-13


    Wie denkt ihr darüber?

  • Finde ich persönlich falsch. Egal ob es nun darum geht, dass das Kind keine Behinderung hat, oder ob es darum geht dass das Kind eine Behinderung hat, oder blaue Augen, blonde Haare, was auch immer wem einfällt.
    Ich finde es falsch in dieser Art und Weise zu sortieren!

  • Es finde es auch nicht richtig, sich sein Wunschkind generieren zu lassen, nur damit es den eigenen Erwartungen entspricht. Das ist genetische Selektion nur andersherum, als man sie überlichweise kennt.


    Ein Kind trotz Behinderung anzunehmen, wie es ist, ist eine Sache. Aber seinem Kind ausdrücklich eine bestimmte Behinderung zu wünschen? Das kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Alle Eltern wünschen ihrem Kind doch normalerweise die besten gesundheitlichen Voraussetzungen für den Start ins Leben. Das wäre ja ungefähr so, als wenn ich mir ein Kind wünschen würde, dass autistisch ist oder eien Sprachbehinderung hat. Dieser Gedanke käme mir nicht in den Sinn, denn das Wichtigste ist doch immer, dass es dem Kind gut geht und nicht, dass ich mich als Elternteil darin wiedererkennen kann.


    Ich frage mich, was steckt hinter dem Wunsch dieser Eltern? Fühlen sie sich einem gesunden (hörenden) Kind nicht gewachsen? Wünschen sie sich einem Kind, mit dem sie sich auf derselben Ebene austauschen können? Ein Kind, dass ihnen absolut gleichrangig gegenüber steht? Ich glaube, dass diese Ängste zwar verständlich, aber eher unbegründet sind, denn liebende Eltern werden immer einen Zugang zu ihrem Kind finden oder sich zumindest darum bemühen. Umgekehrt wird auch ein Kind, dass sich geliebt und akzeptiert fühlt, immer auch zu seinen Eltern stehen und sich auf sie einlassen. Eine Behinderung (egal bei den Eltern oder beim Kind) spielt da glaube ich nicht die entscheidende Rolle - oder muss zumindest keinen unüberbrückbaren Graben darstellen, den man nicht überwinden könnte. Mir ist aber bewusst, dass ich nur aus der Theorie rede, denn eigene Kinder habe ich nicht.

  • Ich bin hier ganz bei den Meinungen von Trixi und Dario.


    Verstehen kann ich die Eltern nicht.
    Wie kann man seinem Kind eine Behinderung wünschen. :?::!:
    Mit welchem Recht wollen diese Eltern "vorab" über ihr Kind und dessen Leben entscheiden.
    Wie will man so eine Entscheidung später seinem Kind erklären ?(


    Wir haben im Bekanntenkreis unserer Tochter einige hörbehinderte/gehörlose Paare die auch Nachwuchs bekommen haben.
    Alle haben gehofft das ihre Kinder keine Probleme mit dem Gehör haben....



    VdK-TV: Gebärdensprache als Muttersprache UT

    Video:

    https://www.bing.com/search?q=…=DE&setlang=de-DE&PC=LCTS


    Viele Grüße
    Monika                                                                                                  

    2 Mal editiert, zuletzt von Monika ()

  • Ich sehe das so ähnlich wie ihr und stimme euch zu. Eine Selektion lehne ich ab.
    Ich versuche mich mich dennoch in die Eltern hineinzuversetzen und ihre Sichtweise zu verstehen, was NICHT heißt, dass ich ihre Entscheidung gutheiße. Das schon einmal vorab, um Missverständnissen vorzubeugen.

    Wie kann man seinem Kind eine Behinderung wünschen.


    Die Eltern sehen die Gehörlosigkeit nicht als Behinderung, sondern als Kulturzustand an. Ähnliche Sichtweisen und Diskussionen gibt es ja auch im Autismusbereich, wo die Gemüter beim Thema immer wieder stark hochkochen.


    Es finde es auch nicht richtig, sich sein Wunschkind generieren zu lassen, nur damit es den eigenen Erwartungen entspricht. Das ist genetische Selektion nur andersherum, als man sie überlichweise kennt.


    Dem stimme ich zu. Das hast du gut auf den Punkt gebracht.
    Eine Selektion ist aber in einigen Ländern erlaubt, daher wird das nicht die letzte Diskussion dieser Art sein, denn solche Szenarien wird es sicher noch öfter geben.


    Ich frage mich, was steckt hinter dem Wunsch dieser Eltern? Fühlen sie sich einem gesunden (hörenden) Kind nicht gewachsen? Wünschen sie sich einem Kind, mit dem sie sich auf derselben Ebene austauschen können?


    Das sind mögliche Gründe. Nichtbehinderte Eltern selektieren und treiben ab, weil sie sich einem Kind mit Behinderung nicht gewachsen fühlen und diese Eltern fühlen sich vielleicht einem nichtbehinderten Kind nicht gewachsen. Vielleicht befürchten sie, ein gesundes Kind könnte sich für sie schämen, oder sie haben Angst, Hilfen und Unterstützung im Umgang mit ihrem Kind zu benötigen, was sie abhängig machen könnte. Das sind Ängste, die nichtbehinderte Eltern auch haben, wenn sie ein behindertes Kind erwarten und sich gegen das Kind entscheiden.


    das Wichtigste ist doch immer, dass es dem Kind gut geht und nicht, dass ich mich als Elternteil darin wiedererkennen kann.


    Die Eltern gehen davon aus, dass es ihrem Kind mit einer Gehörlosigkeit gut gehen wird, denn ihnen geht es vermutlich auch gut und sie vermissen nichts. Sie sehen keinen Grund, warum es ihrem Kind schlecht gehen sollte, wenn es mit einer Gehörlosigkeit zur Welt kommt.
    Das sind natürlich alles nur Vermutungen. Keiner weiß, welche Gründe tatsächlich für diese Entscheidung ausschlaggebend waren.


    Die Selektion von Embryonen wirft immer wieder viele neue ethische und rechtliche Fragen auf, die noch geklärt werden müssen. Und das ist erst der Anfang. Wer weiß, wo die Reise noch hingeht......

  • Hier geht es auch um Selektion ( positive )
    Ich gehe mal davon aus, das der Wunsch, ein ebenso behindertes Kind ,wie man selber ist, irgendwie so in die Richtung geht, wie er hier in der Fiktion thematisiert wird :
    https://www.welt.de/kultur/the…-auf-die-Normalitaet.html


    Zitat:



    Ihre Ansage ist klar: „Wir verlangen, dass das Morden der Babys mit Trisomie 21 ein Ende hat.“ Weil Menschen mit drei Chromosomen nicht mehr geboren werden sollen, greifen die Behinderten zu drastischen Maßnahmen. Sie sind gekommen, um ihre Geiseln zu schnellem Sex mit ihren Frauen zu zwingen. Sie wollen die Welt mit Downsyndrom-Babys fluten. „Am liebsten zu dritt“ ist eine schnelle Revue mit Gesang, Ernst, Action, Erotik und schmierigen Gags.


  • Die Eltern sehen die Gehörlosigkeit nicht als Behinderung, sondern als Kulturzustand an. Ähnliche Sichtweisen und Diskussionen gibt es ja auch im Autismusbereich, wo die Gemüter beim Thema immer wieder stark hochkochen.


    Es stimmt, das Thema wurde schon oft diskutiert, aber dazu trotzdem noch mal ein Gedanke von mir: Ich finde, mit so einer Sichtweise (egal ob es um Gehörlosigkeit geht, um Autismus oder welche Behinderung auch immer) grenzt man sich letzendlich sebst aus, und gibt ja mehr oder weniger zu, dass man mit der (Mainstream-)Gesellschaft nichts zu tun haben möchte; dass man sich in ihren Werten und ihrer Lebensweise nicht wiederfindet.


    Genau das ist nach meinem Verständnis gerade nicht im Sinne von Inklusion, wo ja eigentlich alle dazugehören sollen, ohne dass irgendwelche Subkulturen oder (im Extremfall) Parallelgesellschaften noch notwendig sind.


    Oder übersehe ich da irgendetwas? :icon_rolleyes

  • Moin ,


    Dario , ich würde mal so sagen, dass das dann zutreffen würde , also" Inklusionsfeindlichkeit" wenn der Rückzug aus einer inklusiven Gesellschaft stattfinden würde .
    Da es aber eher keine inklusive Gesellschaft gibt, kann man sich aus dieser auch nicht zurückziehen.
    Bei dauerhafter Diskriminierung von Behinderungen , bis hin zur Tötung , so wie es in Deutschland üblich ist, wird es wohl immer mal zum Rückzug kommen oder eben zur positiven Überbewertung der Behinderung , mehr oder weniger als Notwehr gegen Diskriminierungen, Abwertung und Verfolgung .


    Es kommt dann halt auf die Menschen an und auf die Erfahrungen, die gesammelt wurden.
    Mit Absicht Behinderungen erzeugen, finde ich persönlich auch seltsam , andererseits ist es ein Statement gegen Abtreibung und Diskriminierung.
    Da wo es Inklusion geben würde , würden sich solche Überbewertungen von Behinderung sowohl in die eine als auch in die andere Richtung wahrscheinlich auflösen.

  • Mit Absicht Behinderungen erzeugen, finde ich persönlich auch seltsam , andererseits ist es ein Statement gegen Abtreibung und Diskriminierung.


    Dagmar, ist es wirklich ein Statement gegen Diskriminierung und Abtreibung?
    Wenn ich eine Selektion vornehme, weil ich unbedingt ausschließen will, dass ein hörendes Kind entsteht, ist das dann nicht auch eine Form von Diskriminierung?


    Müssen eigentlich mehrere Eizellen befruchtet werden, um sie dann anschließend zu selektieren, oder werden nur Ei und Samenzelle vor der Befruchtung selektiert? Das geht aus dem Artikel nicht hervor, oder habe ich das übersehen?
    Wie muss ich mir das vorstellen?
    Sollten befruchtete Eizellen selektiert werden, so wäre das Verwerfen der Embryonen mit gesundem Gehör eine Vernichtung entstehenden Lebens. Streng genommen wäre das eine Abtreibung.


    Wünschenswert wäre es, wenn jeder Mensch so angenommen werden würde, wie die Natur ihn schuf.

  • Hallo Ella ,


    Ja , der Satz müßte dann richtig heißen : Mit Absicht Behinderungen erzeugen finde ich seltsam , andererseits ist er ein Statement gegen Abtreibung und Diskriminierung von behinderten Kindern , Embryonen , Menschen......, hier wird die Selektion umgedreht, indem die gesunden Embryonen , Menschen , Kinder abgelehnt werden.
    Es wird also nicht das gesunde Kind überbewertet , sondern das gehörlose Kind. Ich finde das auch drastisch , der Normalfall , das behinderte Kinder selektiert werden , ist meiner Ansicht nach aber auch drastisch, wird aber in der Bevölkerung grundsätzlich toleriert , bzw. die Entscheidung für ein behindertes Kind als fragwürdig gefunden.


    Deinen Wunsch teile ich selbstverständlich , aber es ist halt nur ein Wunsch.

  • Ich bleibe dabei, das ich jegliche Art der Selektierung ablehne.
    Außerdem... Wenn die künstliche Befruchtung von 2 Elternteilen mit Gehörlosigkeit gemacht wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, das ein gehörloses Kind entsteht. Zumindest steht es dann 50:50, wenn ich mich richtig erinnere.


    Grundsätzlich finde ich es schon gut, das es so etwas wie künstliche Befruchtung gibt, da es vielen Menschen hilft ein Kind zu bekommen, wenn es anders nicht möglich ist. Aber ich finde, man sollte nicht permanent alle menschlichen Grenzen überschreiten!

  • Es ist krank, wenn gesunde Embryonen abgelehnt werden. Ich lasse es mir noch gefallen, wenn jemand ablehnt zu wissen, ob Embryonen Erbgut enthalten, die eine Behinderung oder Krankheit zur Folge haben können. Aber bewusst gesunde Zellen abzulehnen , um geschädigte einsetzen zu lassen, dafür fehlt nicht nur mir jedes Verständnis!

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