Artikel zum Thema Autismus

  • http://www.sz-online.de/nachri…he-verkaufen-3615208.html


    Mich machen solche Geschichten immer richtig traurig, denn gerade unter den Asperger- und HFA-Autisten gibt es viele hochbegabte und hochmotivierte Leute, die sehr gerne arbeiten würden, aber in dieser Gesellschaft einfach keine faire Chance bekommen.


    Ob sich das jemals ändern wird? Aus heutiger Sicht bin ich da eher pessimistisch. Den Gang an die Öffentlichkeit halte ich aber für den richtigen Weg, um die Menschen (insbesondere auch die Arbeitgeber) für das Problem zu sensibilisieren.

  • Vor zwei Tagen erschien ein Interview mit dem bekannten Blogger und Buchautor Aleksander Knauwerhase:


    https://www.trailer-ruhr.de/wi…uf-einem-fremden-planeten


    Das Interwier ist gut, allerdings habe ich Probleme mit Knauerhases Sichtweise auf Autismus. Ich erlebe Autismus (insbesondere Asperger) bei mir nicht in erster Line als eine Reizfilterschwäche, sondern (wie es offiziell definiert ist und schon von Asperger selbst beschreiben wurde) in erster Linie als eine Kontakt- und Kommunikationsstörung. Die Reduzierung auf die Reizfilterschwäche greift mir zu kurz.

  • Hallo Dario,


    da gebe ich dir total Recht! Beim kleinen Prinzen ist es auch und vor allem eine

    Kontakt- und Kommunikationsstörung

    .


    Die Reizfilterschwäche steht dazu vielleicht irgendwie im Zusammenhang, das weiß ich nicht. Manchmal dachte ich schon, vielleicht konnte er das mit dem Kontakt und der Kommunikation von klein auf aufgrund der Reizfilterschwäche nicht so einfach lernen, weil er ständig abgelenkt war? Oder vielleicht ist es so anstrengend, diese ganzen Reizen von innen und außen zu sortieren, dass man dann für Kontakt und Kommunikation einfach nur noch sehr wenige Ressourcen hat?

  • Guten Morgen,


    mir gefällt der Artikel auch ganz gut. Den ultimative simple Tipp von Melanie Matzies-Köhler "wenn man tolerant draufguckt, und dem Kind eine Brücke baut" sollte eigentlich für alle Kinder, am besten für alle Menschen gelten, dann wäre es für sehr viele sehr viel leichter, und man müsste als Mutter auch in der Öffentlichkeit nicht mit der Diagnose wedeln, um Verständnis zu finden, sondern es wäre einfach da. Ein Traum.


    Gelacht habe ich jetzt über den erfrischend bissigen Kommentar über dem von Dario, dass manche Kinder sich wunschgemäß ab einem bestimmten Alter "totstellen" (=100%ige soziale Anpassung), während Autisten und auch die meisten anderen Kinder schlechte Karten haben, weil sie das nicht können. Das ist überspitzt, aber trotzdem viel Wahrheit dran. Meine Tochter und ihre Schulkameraden wurden die Tage beim Blödeln außerhalb des Schulgeländes ermahnt, sie sollen das lassen, sie vertreten schließlich das Gymnasium ... von einem, der als pädagogischer Mitarbeiter eingestellt ist ... :icon_eek Im touristischen Bayern und auch anderswo werden auch immer mehr Hotels zu kinderfreien Hotels erklärt - das ist astreine Diskriminierung von Kindern :icon_eek


    ich sehe bei Hans auch sehr massiv eine Kommunikations- und Interaktionsstörung, allerdings spielt die hypersensible Wahrnehmung da auch eine mächtige Rolle. Ich denke inzwischen zb, er hat in der Kleinkindzeit wichtige Entwicklungsschritte verpasst, weil er so vollständig mit seiner überfordernden Wahrnehmung beschäftigt war ... Und es ist immer noch die überfordernde Wahrnehmung heftig beteiligt daran, dass soziale Situationen außerhalb von zuhause und mit mehr als einem Gegenüber für ihn so schwierig sind.

    Enscha - mit Hans im Glück (frühkindlicher Autismus, und Pubertät)
    "Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, und eine komische."

  • Ein schöner und erfrischend differenzierter Artikel über die Inklusion autistischer Kinder erschien heute in der Tiroler Tageszeitung:


    http://www.tt.com/lebensart/12…n-nicht--die-diagnose.csp


    Mir gefällt der bildhaft-sarkastische Stil von Brita Schimer, mit dem sie die gängige Inklusionspraxis pointiert hinterfragt:


    Zitat von Tiroler Tageszeitung

    Man nehme ein Kind mit einer Autismusspektrumstörung, stecke es in eine Klasse und rühre um. „Heraus kommen nur Inklusionsverlierer“, sagt Brita Schirmer.

  • http://www.general-anzeiger-bo…ug-zu-article3639629.html


    Aufgrund meiner Geschichte berühren mich solche Fälle mit autistischen Straftätern immer sehr schnell. Man sollte zwar sehr zurückhaltend sein, konkrete Urteile zu kommentieren, wenn man den Prozess nicht mitverfolgt hat und die Hintergründe nicht kennt, aber mein Eindruck ist: Auch hier stand ein junger Mann vor Gericht, der - ähnlich wie ich früher - Täter und Opfer zugleich war, da bin ich mir sehr sicher.

  • Dario, ich teile deine Einschätzung.


    Allerdings finde ich es bis auf die Sozialstunden ein recht gutes Urteil. Wobei ich mir bei den Sozialstunden gerade auch nicht sicher bin, ob es da nicht auch eine Möglichkeit gibt die in einem Umfeld abzuleisten, die auf den Autismus Rücksicht nimmt.

  • Wobei ich mir bei den Sozialstunden gerade auch nicht sicher bin, ob es da nicht auch eine Möglichkeit gibt die in einem Umfeld abzuleisten, die auf den Autismus Rücksicht nimmt.


    Die Ableistung in einem autistmusgerechten Umfeld würde ich auch als Voraussetzung sehen, die einem Autisten zustehen sollte. Wo das sein könnte, habe ich selbst nur wenig Ideen. Vielleicht als Hilfskraft (für Haus- und Gartenarbeiten etc.) in einem gemeinnützigen Autismuszentrum?

  • Auch hier stand ein junger Mann vor Gericht, der - ähnlich wie ich früher - Täter und Opfer zugleich war, da bin ich mir sehr sicher.


    Ja, das scheint wirklich so zu sein.


    Und es ist ja auch nicht verwunderlich.
    Wie immer wird Menschen die dringend Hilfe benötigen nicht geholfen.
    Sie werden im Stich gelassen mit ihren Problemen und das hat der Richter hier gut erkannt:




    ZITAT:
    ...."Die Antwort der Kammer:
    Er soll noch eine Chance haben, da sich bisher niemand ernsthaft seines Problems annahm
    – auch sein Betreuer nicht.
    „Und seine Mutter wurde von allen im Regen stehengelassen“, so der Richter."....
    http://www.general-anzeiger-bo…ug-zu-article3639629.html


    Viele Grüße
    Monika                                                                                                  

  • Dario, ich glaube auch jeder Bauhof kann Sozialstunden annehmen. Da sind dann zwar nicht unbedingt Menschen die sich mit Autismus auskennen, aber man hat eigentlich eher weniger soziale Interaktion... *denk*
    Bin mir auch nicht sicher, ob es überall ein Autismuszentrum oder was ähnliches gibt, wo er auch hin kommen kann.


    Traurig an der ganzen Sache finde ich eigentlich wirklich, dass es gar nicht so weit hätte kommen müssen. Und wenn ich dann wieder lese was andere für Kämpfe haben wegen irgendeinem Mist, wird mir ehrlich gesagt schlecht.
    Diese Taten und alles was vorher schon passiert war, sollte doch deutlich genug zeigen, dass man frühzeitig die nötige Unterstützung braucht, damit es gar nicht erst so weit kommt!

  • Auf YouTube habe ich dieses Video über einen autistischen Jungen aus Frankfurt gefunden:



    Es hat mich beeindruckt, wie gut der Junge in der Schule integriert ist und dass er so ausgesprochen tolerante Mitschüler er hat. Das ist bestimmt auch in der heutigen Zeit noch nicht selbstverständlich. Erstaunlich auch, wie er mit 12 Jahren bereits über sich und sein Leben reflektiert.

  • Kürzlich erschien ein lesenswertes Interview mit Christine Preißmann für eine österreichische Zeitung:


    https://www.profil.at/wissensc…peutin-preissmann-9446368


    Ich schätze Frau Dr. Preißmann für ihre ruhige und besonnene Art der Öffentlichkeitsarbeit sehr. Dieser Satz hier hat bei mir allerdings ungläubiges Staunen ausgelöst:


    Zitat

    Ich kenne Geschichten von Autistinnen, die schwanger wurden, obwohl sie ihrer Meinung nach korrekt verhütet hatten. Sie hatten das Kondom über einem Besenstiel neben dem Bett abgerollt.


    Manchmal greift Frau Preißmann zu sehr extremen Beispielen. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass Autistinnen und Autisten (bei aller sozialen Unbeholfenheit) sich dermaßen dämlich und weltfremd anstellen und tatsächlich glauben, man könnte eine Schwangerschaft verhindern, indem man ein Kondom über einen Besenstiel streift.


    Mag sein, dass Frau Preißmann von Autistinnen mit geistiger Behinderung spricht, da will ich so etwas nicht ausschließen. Dann sollte man dann das aber fairerweise dazu sagen, bevor Autisten aller Couleur in einem Rundumschlag als vollkommen lebensfremde Trottel dargestellt werden. Damit tut man der Öffentlichkeitsarbeit nämlich auch nichts Gutes.


    Oder sind meine Worte zu drastisch? :icon_rolleyes

  • Also, ich finde das auch seltsam, dass sie solche „Geschichten“ erwähnt hat.
    Es ging in dem Zusammenhang aber um sexuellen Missbrauch.

    Zitat

    Autisten werden häufig Opfer sexuellen Missbrauchs. Was kann man dagegen tun?
    Preißmann: Wir können zweideutige Situationen nicht richtig einschätzen. Kindern wird oft gesagt, sie dürfen zu keinem Fremden ins Auto steigen. Dass man nicht mit einem Fremden ins Gebüsch gehen darf, sagt ihnen niemand. Autistischen Mädchen und Buben muss man alles bis ins kleinste Detail erklären.


    Das mit den Kondomen kommt danach, um ein Beispiel zu nehmen, dass über ein „Unaufgeklärtsein“ hinaus geht.


    In früheren, nicht aufgeklärten Zeiten, kam bestimmt mal auch unter neurotypischen Menschen
    so eine abenteuerliche Geschichte vor.

  • Was mich daran stört: Natürlich muss man über die Probleme von Autisten aufklären, auch mit konkreten Beispielen. Man muss Autisten aber nicht mit völlig überzeichenten, ins Karikaturhafte gehenden Beispielen als total lebensfremde Trottel darstellen. :S


    Die allermeisten Kommunikationsbarrieren sind doch eher subtiler Natur und längst nicht so absurd-plakativ wie die Geschichte mit dem Kondom überm Besenstiel. Der "Normalbürger" wird sich über sowas eher amüsieren als dass es echtes Verständnis schafft.

  • Das Beispiel mit dem Besenstil scheint sehr skuril zu sein, doch weiß man, wie man den jungen Leuten in der Schule Verhütung beigebracht hat? Hat das vielleicht einer der Lehrer so vorgemacht?


    Ich habe schon so einige wunderliche Dinge erlebt und da Autisten sich manches nun mal nicht erschließen können, weil es ihnen vorher erklärt werden musste, so kann schon mal so ein Spruch kommen, wie: "Das hättest du mir aber auch eher sagen müssen." Und das ist völlig unabhängig von der Intelligenz. Auch manch hochbegabter Autist hat schon einmal Dinge gemacht, über die man als NT den Kopf schütteln würde, weil man das intuitiv weiß, dass das nicht geht. Der Autist weiß das aber nicht. Beispiel: Umgang mit Geschlechtsteilen. Ich führe das jetzt nicht weiter aus. Aua.

    ........................................
    Liebe Grüße von Klara


    "Das, was mich behindert,
    damit lerne ich zu leben.
    Der, der mich behindert,
    der lässt mich im Leben leiden."


    © Klara Westhoff

  • Das ist alles richtig, was du schreibst Klara. Aber da doch ein Mindestmaß an biologischer Allgemeinbildung, auch als Autist, zumindest wenn Intelligenz und Bildung ansonsten normal ausgeprägt sind.


    Ich will niemandem was unterstellen, wage aber trotzdem die Frage zu stellen, ob Frau Preißmann das wirklich genauso gesagt hat oder ob die Redaktion vielleicht bestimmte Sätze aus dem Zusmamenhang gerissen und (bewusst oder unbewusst) zugespitzt hat.
    Das ist hochspekulativ, das weiß ich, hab aber schön öfter gehört, dass Journalisten Interviews auch gerne mal nachträglich zusammenschneiden und dabei manchmal auch Aussagen (ungewollt) aus dem Zusmamenhang reißen.