Liebe und Sexualität

  • Das Thema Liebe und Sexualität im Behindertenbereich ist leider noch ein absolutes Tabuthema.
    Ich denke, das muss sich ändern, weil auch Menschen mit einer Behinderung eine selbstbestimmte Sexualität leben möchten.
    In vielen Fällen wird ihnen das jedoch vorenthalten, weil Eltern und Betreuer unsicher sind und Angst vor Schwangerschaft und Missbrauch haben.
    Oft ist es so, dass Eltern, Betreuer und Kostenträger den Menschen mit Behinderungen ihre eigenen Moralvorstellungen überstülpen, sodass das Ausleben einer selbstbestimmten Sexualität verhindert wird.
    Manchmal ist es so, dass Menschen aufgrund ihrer Behinderung es schwerer haben einen Partner zu finden und nach anderen Möglichkeiten suchen, ihre Sexualität auszuleben.


    Man findet kaum einen öffentlichen Austausch und so bleiben viele Menschen mit Behinderung, Eltern und Betreuer alleine mit ihren Fragen und Bedürfnissen.
    Ich möchte, dass sich das ändert, denn es ist ein sehr wichtiges Thema. Sexualität ist ein Grundbedürfnis.
    Eine Diskussion wäre schön!


    Hier gibt es Informationen:
    Leichte Sprache
    https://www.familienratgeber.d…rung.php?variante=einfach


    Alltagssprache: https://www.familienratgeber.d…ung.php?variante=standard

  • Hi


    Wir haben ja noch etwas zeit, aber manchmal mach ich mir da schon Gedanken. Wie sollte ein möglicher Partner sein?
    Kann ich mir vorstellen das er ganz normal ist? Dann würde ich mich fragen was sieht er in meiner Tochter

    Ich denke es ist total verständlich wenn Eltern da ihre moralischen Grundsätze Vorleben und sich auch für das Kind wünschen.


    Was sieht ein Partner in meiner Tochter? Warum wählt er sie?


    Bei dem Thema bin ich noch nicht mit mir im reinen. Von daher interessiert mich eure Meinung.


    LG sigrid


  • Ich denke es ist total verständlich wenn Eltern da ihre moralischen Grundsätze Vorleben und sich auch für das Kind wünschen.


    Sigrid, das kann ich bis zum bestimmten Punkt verstehen und nachvollziehen. Für uns Eltern ist das keine einfache Situation. Wir sind ja selbst oft orientierungs- und hilflos und wissen nicht, was uns erwartet.
    Es gibt nicht viele Beratungsangebote und wir haben auch nicht so den Austausch zu anderen Eltern, wie Eltern von nichtbehinderten Kindern ihn haben.
    Wir schmoren sozusagen im eigenen Saft.
    Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir uns fragen sollten, ob das richtig und gut ist, dass wir und die Betreuer unsere Moralvorstellungen überstülpen.
    Klar, ich lebe meine Moralvorstellungen auch vor, denn sonst würde ich mich ja verbiegen, aber darf man sie den eigenen Kindern oder den Menschen mit Behinderungen "überstülpen", wenn deren Moralvorstellungen von den Moralvorstellungen der Eltern und Betreuer abweichen?


    Jeder Mensch hat eigene Vorstellungen von Sexualität und vom Ausleben dieser.
    Ich würde meinen Eltern einen Vogel zeigen, wenn sie mich mit ihren eigenen Moralvorstellungen behindern oder belasten und sich in meine Sexualität einmischen würden.
    Ich als nichtbehinderter Mensch konnte meine eigene Sexualität entwickeln und leben, so wie ich das wollte.
    Und darum geht es mir. Ich möchte, dass auch Menschen mit Behinderungen in ihren Wünschen und Vorstellungen ernst genommen und unterstützt werden.


    Auch Menschen mit einer schweren geistigen Behindunge haben sexuelle Gefühle, auch wenn sie das nicht selbst so deutlich artikulieren können.
    Was passiert? Wird der Mensch ernst genommen und wird ihm eine eigene Sexualität und das Ausleben von dieser Sexualität gestattet?


    Stichwort Sexualbegleitung:
    Ich weiß, dass Sexualbegleitung sehr umstritten ist, aber für manche Menschen ist sie die einzige Möglichkeit, ihre Sexualität zu erleben bzw. auszuleben, weil sie nie eine Partnerschaft eingehen können, oder ihnen nie jemand gezeigt hat, was sie mit ihrem Körper alles machen können.
    Zärtlichkeiten, Sexualität und eigenes Sexualerleben haben sie noch nie erlebt. Ist das nicht traurig? Ein Mensch ohne Sexualität und Zärtlichkeit, obwohl der Mensch sich danach sehnt.
    Sicher wird es auch Menschen geben, die kein Verlangen nach Liebe und Sexualität haben ud denen sollte man natürlich dieses Thema nicht aufzwingen, aber ich denke, die meisten haben das Verlangen danach.....wie eben auch der überwiegende Teil der nichtbehinderten Menschen.


    Darf man einem behinderten Menschen die Inanspruchnahme einer Sexualbegleiterin oder gar Prostituierten verbieten, weil es mir als Mutter, Vater oder Betreuer nicht passt, obwohl dies der Wunsch des behinderten Menschen ist?
    Man kann darüber sehr kontrovers diskutieren und davon halten, was man will, aber gerade deshalb sollten wir unbedingt darüber diskutieren.


    Artikel über Sexualbegleitung:
    http://www.sueddeutsche.de/leb…ttys-erstes-mal-1.2235045


    http://www.faz.net/aktuell/ges…esem-wunsch-11646434.html


    Darüber hinaus würde ich mir mehr Partnerbörsen und Paarberatungsstellen für Menschen mit Behinderungen wünschen.
    Das Thema steckt in den Kinderschuhen.....ach was.....in Babyschuhen.


    Wird das Thema Liebe, Partnerschaft, Sexualität, Verhütung in den Familien und Einrichtungen genügend thematisiert, oder lässt man die Menschen mit diesem Thema eher alleine?
    Was passiert in der Pubertät? Erhalten die Jugendlichen genügend Aufklärung und Beratung, oder wird dieses Thema ab einem gewissen Punkt ausgeklammert?


    Wie geht man mit Homosexualität um? Ermöglicht man den Menschen mit Behinderung, ihre Homosexualität auszuleben? Ich denke, dieser Bereich stellt ein noch größeres Tabu dar.


    Wir leben in einer übersexualisierten Welt. Überall wird man mit Sex, nackten Frauen und Männern konfrontiert und in dieser übersexualisierten Welt ist die Sexualität behinderter Menschen immer noch ein Tabuthema. Warum?

  • Das ist eine sehr gute Diskussion. Die regionale Selbsthilfegruppe bei uns hatte vor geraumer Zeit sogar speziell einen Vortrag zu dem Thema organisiert. Ich treffe mich bestimmt wieder einmal mit der Leiterin der Gruppe und werde ihr, falls das okay ist, dieses Forum gerne empfehlen, damit sie hier mitdiskutieren kann. (Danke für eine kurze Rückmeldung.)

  • Das ist eine sehr gute Diskussion. Die regionale Selbsthilfegruppe bei uns hatte vor geraumer Zeit sogar speziell einen Vortrag zu dem Thema organisiert. Ich treffe mich bestimmt wieder einmal mit der Leiterin der Gruppe und werde ihr, falls das okay ist, dieses Forum gerne empfehlen, damit sie hier mitdiskutieren kann. (Danke für eine kurze Rückmeldung.)


    Weitersagen erwünscht!

  • Hallo Ella,


    danke für deinen Mut, dass du dieses sensible Thema hier zur Diskussion stellst. Das Thema „Sexualität und Behinderung"“ ist tatsächlich noch ein großes Tabu, das erlebe ich auch so.


    Für Menschen mit körperlichen oder geistig-kognitive Einschränkungen kann ich nicht sprechen, aber auch unter Autisten erlebe ich es, dass sich viele nach Liebe und Sexualität sehnen, aber keine Möglichkeit für sich sehen (und vielleicht auch objektiv keine haben) diese Wünsche zu realisieren und einen passenden Partner zu finden.


    Natürlich gibt es auch Autisten, die gar kein Bedürfnis nach Partnerschaft und Sexualität haben. Ich kenne aber auch Autisten, die unter ihrer Einsamkeit und sexuellen Unerfülltheit leiden. Dabei sind sie mit ihren Problem oft allein gelassen. Auf fachliche Hilfe können sie kaum hoffen, denn es gibt nur ganz wenige Therapeuten, die auf Autismus und Sexualität gleichermaßen spezialisiert sind. Die Hemmschwelle, in Selbsthilfegruppe oder Foren über dieses Thema zu sprechen, ist ebenfalls hoch ‒ und auch dort findet man nicht immer die Offenheit und das Verständnis, das man sich wünscht.


    Dass es Sexualbegleiter/innen gibt, finde ich gut und wichtig, auch wenn die gesellschaftliche Akzeptanz immer noch gering ist. Sexualbegleitung ist sicher nicht als Patentlösung für jeden geeignet ist. Sie kann helfen, bestimmte Erfahrungen zu machen und eine ersten Zugang zur Sexualität zu finden, aber ein gleichwertiger Ersatz für eine Liebesbeziehung kann sie niemals sein, das muss man sich immer bewusst machen.


    Mir ist es leider auch noch nicht gelungen, Erfahrungen in Sachen Partnerschaft und Beziehung zu sammeln, auch wenn ich mir das sehr wünsche. Je älter ich werde, desto deutlicher merke ich die Erfahrungsdefizite gegenüber anderen Menschen meines Alters, die ich wahrscheinlich niemals vollständig aufholen kann. Die Hürden in Bezug auf eine richtige Beziehung erlebe ich für mich derzeit noch als extrem hoch unüberwindbar. Bislang kann ich meine sexuellen Bedürfnisse auch nur (ansatzweise) erfüllen, indem ich eine professionelle Dienstleisterin in Anspruch nehme. Ich bitte um Verständnis, dass ich das hier öffentlich nicht näher ausführen möchte, nur soviel: Ich war bislang zweimal dort. Es war sehr schön und hat mir auch gewisse innere Ausgeglichenheit und Zufriedenheit gegeben. Bereut habe ich es in keiner Weise, aber eine Dauerlösung ist das ganz sicher nicht, schon allein aus finanziellen Gründen nicht.


    Manchmal beneide ich die (wenigen?) Autisten, die es geschafft haben, einen Partner zu finden, eine Familie zu gründen und sogar eigene Kinder großzuziehen. Oft frage ich mich, wie machen diese anderen Autisten das bloß, wie gelingt ihnen das? Mir ist bewusst, dass es darauf keine pauschale Antwort geben kann, aber trotzdem: Für mich sind das Ziele, die mir bis heute unerreichbar scheinen - und die vielleicht auch für immer unerreichbar bleiben werden. :/


  • Dass es Sexualbegleiter/innen gibt, finde ich gut und wichtig, auch wenn die gesellschaftliche Akzeptanz immer noch gering ist. Sexualbegleitung ist sicher nicht als Patentlösung für jeden geeignet ist. Sie kann helfen, bestimmte Erfahrungen zu machen und eine ersten Zugang zur Sexualität zu finden, aber ein gleichwertiger Ersatz für eine Liebesbeziehung kann sie niemals sein, das muss man sich immer bewusst machen.


    Hallo Dario,


    das sehe ich ganz genauso.
    Für manche Leute ist eine Sexualbegleitung die einzige Möglichkeit Zärtlichkeit und Sexualität auszuleben. Ich sehe natürlich auch, dass Sexualbegleitung nicht alle Probleme lösen kann und in manchen Fällen auch problematisch sein kann. z.B. wenn sich die Menschen in die Sexualbegleitung verlieben, aber eine professionelle Sexualbegleitung weiß mit dieser Problematik umzugehen.


    Eine Sexualbegleitung bedeutet zudem nicht immer das Praktizieren von Sex. Sexualbegleitung beeinhaltet auch Aufklärung, Beratung und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, was im letzteren Fall kein Betreuer oder Elternteil übernehmen kann.
    Ich möchte, dass dieser Bereich enttabuisiert wird und es auch mehr Therapeuten gibt, die sich diesem Thema annehmen.


    Ich glaube, dass behinderte Menschen von vielen immer noch als asexuelle Wesen wahrgenommen werden und dieses Thema leider nicht ernst genug genommen wird. Glücklicherweise gibt es aber auch schon Bewegung und einige Einrichtungen setzen sich mit den Bedürfnissen ihrer Bewohner auseinander. Es ist und bleibt zur Zeit aber ein tabuisiertes Reizthema.


    Ich habe einen Artikel im Netz gefunden, der das gut auf den Punkt bringt.
    Eine Sexualität, die gelebt werden kann, ist manchmal besser für die Seele und den Körper als ein paar Stunden Ergotherapie:
    http://www.spiegel.de/panorama…chel-wotton-a-873002.html


    Ein absolut bitterer Nachgeschmack ist natürlich der hohe Preis. Viele können die Kosten dafür gar nicht aufbringen, oder müssen monatelang sparen. Somit bleibt eine Sexualbegleitung oftmals unerreichbar und die Menschen mit ihren Bedürfnissen und Fragen bleiben weiterhin alleine.


    Es müssten in diesem Bereich einfach mehr Angebote geschaffen werden.
    Warum bietet man nicht genügend Partnerbörsen oder Singletreffs für behinderte Menschen an?
    Es gibt sie vereinzelt, aber noch lange nicht in ausreichendem Maße.
    Warum gibt es nicht auch solche Angebote, die auch nichtbehinderte Menschen in Anspruch nehmen können?
    Weil behinderten Menschen eine Moral aufgezwungen wird, die nichtbehinderte Menschen selbst so niemals leben würden?

  • Es ist irgendwie echt traurig, dass gerade die Sexbegleitung / Sexassistenz nicht wie vieles andere gilt. Ich meine wer in seinem Alltag eine Assistenz braucht weil er z.B. nicht viel alleine machen kann, bekommt das normalerweise finanziert vom Staat.
    Aber dieser Bereich wird irgendwie als unwichtig angesehen.

  • Es ist irgendwie echt traurig, dass gerade die Sexbegleitung / Sexassistenz nicht wie vieles andere gilt. Ich meine wer in seinem Alltag eine Assistenz braucht weil er z.B. nicht viel alleine machen kann, bekommt das normalerweise finanziert vom Staat.
    Aber dieser Bereich wird irgendwie als unwichtig angesehen.


    Trixi, da sprichst du was an!
    Sollen Ämter für die Kosten einer Sexualbegleitung aufkommen? Das wäre sicher eine interessante Diskussion.
    Ich glaube, eine Kostenübernahme liegt in weiter Ferne......in sehr weiter Ferne.

  • Hi,


    ich kann mir im Moment noch nicht vorstellen, dass ich zu jemand so ein vertrauen aufbauen könnte, dass ich ihm/ihr meine Tochter für eine Sexassistenz anvertrauen würde. Aber vielleicht werde ich da ja noch lockerer. Früher hätte ich mir auch nicht vorstellen können, dass so viel fremde Menschen in meiner Wohnung ein und ausgehen und wem ich alles über meine Familiensituation berichte und fragen ob der Vater des dritten Kindes auch wirklich der gleiche ist wie bei den beiden Großen usw beantworte ...

  • ich kann mir im Moment noch nicht vorstellen, dass ich zu jemand so ein vertrauen aufbauen könnte, dass ich ihm/ihr meine Tochter für eine Sexassistenz anvertrauen würde.


    Sigrid, ich kann dich voll und ganz verstehen. Es ist ein sehr sensibles Thema.
    Wie würdest du denn aber reagieren, wenn deine Tochter diesen Wunsch immer wieder äußern würde?
    Da stehen sich der Wunsch deiner Tochter und deine Ängste und Zweifel dann gegenüber. Wie geht man damit um? Was wiegt schwerer? Die Selbstbestimmung deiner Tochter oder deine Zweifel?
    Ich will das gar nicht werten, denn auch ich muss im Alltag bei vielen Dingen abwägen und bin mir unsicher, wie ich entscheiden soll.
    Habe ich das Recht meinem erwachsenen Sohn Dinge zu verweigern, weil ich manche Dinge scheinbar besser weiß als er, oder weil ich Ängste und Zweifel habe? Darf ich ihm eigene Erfahrungen verweigern, wenn ich meine, es wäre besser für ihn?
    Diese Fragen sollte man sich nicht nur stellen, wenn es um den Bereich "Sexualität" geht, sondern auch, wenn es um andere Dinge geht.
    Sehr schwieriges Thema.


    Deine Tochter ist ja noch so jung und du hast noch Zeit, dich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Hauptsache wir Eltern (und Betreuer) setzen uns überhaupt mit diesem Thema auseinander, anstatt es galant zu umgehen.

  • Hi


    Ja die Frage nach der Selbstbestimmung bei Menschen mit GB ist schwer. Wenn meine beiden grossen sich sinnlos betrinken würde ich mit ihnen reden und hoffen das die Einsicht haben es nicht zu wiederholen ab ich könnte nichtsmachen wenn sie es trotzdem tun. Bei L würde ich versuchen es zu unterbinden da ich nicht darauf hoffen kann dass sie Einsicht hat ...


    Übertragen auf Sexualität wenn eine meiner großen mit einem Mann der nicht gut ist, schlägt oder so, zu tun hätte könnte ich auch nur reden und hoffe das sie allein die richtige Entscheidung fällen. Aber bei L?


    Vielleicht mach ich mir ja auch viel zu viel Gedanken und sie findet einen der einfach passt.


    Auf jeden Fall ein spannendes Thema.


    Vg Sigrid

  • Diese Broschüre von pro familia habe ich im Internet entdeckt und habe sie gerade gelesen.
    Ich finde sie recht informativ.
    Ein paar Themen aus dem Inhaltsverzeichnis:
    Pubertät
    Sexuelle Selbstbestimmung
    Verhütung
    Kinderwunsch und Elternschaft
    Sexualassistenz
    und noch weitere Themen:
    http://www.profamilia.de/filea…tige_behinderung_2011.pdf

  • Klar, bei einem Menschen der es vielleicht nicht verstehen kann, muss man andere Wege suchen um Dinge zu verhindern die absolut ungut sind. Aber da muss man dann eben auch schauen.
    Auch Menschen ohne Behinderung verhalten sich oftmals sehr, sehr dumm. Da kann man als Mutter / Freundin, Vater oder was auch immer, ja auch nur zu schauen und reden. Bedeutet trotzdem noch lange nicht, dass sich jemand von einem Schläger trennt, weil die Umwelt versucht zu erklären dass das nicht richtig ist.


    Ich denke beim Thema GB kommen ganz andere Probleme in Bezug auf Sexualität als jetzt bei einer Körperbehinderung.
    Was ich bisher so gelesen habe ist, das es in 1. Linie darum geht zu schauen wie Sexualität gelebt werden kann und bei einer Körperbehinderung wo es ohne Assistenz so gar nicht möglich ist, kann es dann dazu kommen, das so eine Assistenz hilft. Aber dazu muss trotz allem ja auch erstmal vertrauen aufgebaut werden! Und das ist für beide wichtig.

  • Die Autistenhilfe in Wien hält Ende September sogar ein Seminar zu dem Thema.


    Inhalt:
    Häufig wird spätestens ab dem jungen Erwachsenenalter das Thema Partnerschaft und Sexualität
    eine Herausforderung für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung. Dieses zweitätige Seminar
    soll zum Verständnis dieser Problematik beitragen, wobei mit einer kurzen inhaltlichen
    Einführung begonnen wird. Danach folgen eine Aufstellung der psychosexuellen Entwicklung
    (nach Siebert) vom Kleinkind- bis zum Erwachsenenalter, sowie eine Gegenüberstellung von
    Entwicklungsalter und Lebensalter. Des Weiteren werden Besonderheiten bei Menschen mit ASS
    (z.B. rigides Festhalten an stereotypen Verhaltensweisen) und günstige Voraussetzungen in
    Einrichtungen für eine gute Bearbeitung des Themas Partnerschaft und Sexualität
    herausgearbeitet. Abschließend werden Möglichkeiten zur Aufklärung für Menschen mit ASS und
    zum Schutz vor sexuellen Übergriffen erörtert. Das Seminar wird durch Übungen, Fallbeispiele
    und Aufklärungsmedien bereichert.


    Leider kann ich selbst nicht hinfahren, aber vielleicht lassen sich die Eltern mit erwachsenen Autist/innen aus unserer SHG überzeugen und können dann berichten.


    LG

  • Hallo Michie,


    hast du einen Link zu dem Seminar?


    Speziell bei den hochfunktionalen Autisten sehe ich das Dilemma oft in der großen Diskrepanz zwischen ihren theoretisch-intellektuellen Fähigkeiten und ihren Möglichkeiten, ganz real eine Beziehung einzugehen und gemeinsame Ebene mit einem Partner zu finden.


    Ich kann mich mit meiner Sexarbeiterin ohne Probleme auf der intellektuellen Ebene austauschen und über das Erlebte reflektieren. Mein Eindruck ist, dass sie gerne mit mir zusammenarbeitet, ich durfte durfte sogar schon Berichte für ihre Homepage verfassen.


    Trotzdem sehe ich eine "richtige" Beziehung immer noch in weiter Ferne für mich und wüsste bis heute nicht, wie ich auf eine Frau zugehen könnte, wo man überhaupt eine potentielle Partnerin findet und wie man eine gemeinsame Ebene miteinander entdeckt.


    Im Moment brauche ich die "Krücke" der professionellen Sexarbeit für mich, weil sie viel strukturierter, überschaubarer und sicherer abläuft als eine echte Beziehung, wo es keinen klar definierten Rahmen gibt und wo man schlussendlich nie weiß, was einen erwartet und worauf es hinausläuft. Es wäre nur schade, wenn es Zeit meines Lebens die einzige Möglichkeit bliebe, wie ich Sexualität erleben kann. Ich wünsche mir durchaus Alternativen, aber im Moment sehe ich sie nicht.

  • Dario, ich bedanke mich für deine Offenheit und die Schilderung deiner Problematik.


    Der Unterschied zwischen einer Sexarbeiterin und einer Partnerin ist der, dass eine Sexarbeiterin keine Erwartungen an dich hat, eine Partnerin aber schon.
    Das erleichtet die Situation für dich vermutlich sehr und entlastet dich, sodass du dich öffnen und Erfahrungen sammeln kannst.


    Beim Kennenlernen eines Partners spielen so viele Faktoren eine Rolle, die dich als Autisten überfordern können.
    Das klassische Kennenlernen fällt bei einer Sexarbeiterin ebenfalls weg.
    Eine Sexarbeiterin geht auf dich ein, ohne etwas von dir zu erwarten.
    Sie kann keine Partnerin ersetzen, aber sie kann das Sprungbrett bzw. die Krücke auf dem Weg zu einer Partnerschaft sein, denn Sexarbeiter/ Sexualbegleiter/ Sexualassistenten nehmen sich auch solcher Themen an und oftmals ist es so, dass die Menschen mit Behinderung durch solch eine Begleitung gestärkt werden.